Waldvernichtung in Ohlsdorf

Pressekonferenz mit Umwelt und Klima-Landesrat Stefan KainederVeronika Marhold, LL.B.(Umweltjuristin Ökobüro), Mag. Gregor Schamschula (Umweltjurist Ökobüro)

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Waldvernichtung in Ohlsdorf: Präsentation einer Umweltrechtsstudie: Ist die aktuelle Raumordnungs- und Forstrechtsgesetzgebung ausreichend, um unsere Wälder vor Zerstörung zu schützen?

Vor etwas mehr als einem Jahr sind in Ohlsdorf Harvester, Bagger und Schubraupen aufgefahren, um knapp 190.000 Quadratmeter Wald für ein Betriebsbaugebiet dem Erdboden gleichzumachen. Derzeit gleicht die Fläche einer riesigen kahlen Schotterwüste. Im Laufe des vergangenen Jahres wurden dann immer mehr Details über den Deal der Bundesforste mit dem Projektbetreiber Asamer bekannt, der die Zerstörung in dem riesigen Ausmaß überhaupt ermöglichte. So sollen die Bundesforste das Grundstück zum Schaden der Republik weitaus zu günstig an Asamer verkauft haben, der dieses dann gewinnbringend an eine belgische Immobilienfirma weiterverkauft hat. Der Rechnungshof des Bundes prüft den Deal der Bundesforste aktuell.

Laufend sorgt die Causa rund um die gewaltige Wald- und Bodenvernichtung in Ohlsdorf für Schlagzeilen. Zuletzt, da das Betriebsbaugebiet als Lagerstandort auf einer Gebrauchtwarenplattform angeboten wurde. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man schmunzeln, denn vollmundig wurde behauptet, dass 190.000 Quadratmeter Wald weichen müssten, um einen oberösterreichischen Leitstandort mit hunderten Arbeitsplätzen zu ermöglichen. Nach wie vor ist unbekannt, welche oder welches Unternehmen sich auf der derzeit noch riesigen, kahlen Mondlandschaft ansiedeln werden.

Zuvor gegangen waren dem gewaltigen Zerstörungsprojekt neben dem Ausverkauf von Wald durch die Bundesforste auch Widmungs- und Rodungsverfahren, die trotz mehrerer negativer Stellungnahmen zu Bewilligungen führten. Von Beginn an gab es Kritik, dass Bedenken aus forst- und naturschutzrechtlichen Fachstellungnahmen zu wenig Gewicht in den Verfahren bekommen hätten. Für Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder stellt sich vor allem die Frage, ob die derzeit gültige Forst- und Raumordnungsgesetzgebung ausreichend ist, um unsere Wälder vor Zerstörung zu schützen. Aber ebenso, ob im konkreten Fall der Rodung von knapp 20 Hektar Wald für ein Betriebsbaugebiet in Ohlsdorf das Forstrecht überhaupt mit erhöhter objektiver Sorgfalt vollzogen wurde. Um Antworten auf die Fragen zu bekommen, hat Kaineder eine Rechtsstudie beim ÖKOBÜRO, das auf Umweltrechtsfragen spezialisiert ist, in Auftrag gegeben.

Konkret steht auch die mit 600 Arbeitsplätzen begründete Rodung im Mittelpunkt der Studie. Kaineder fragt: „Reicht eine Widmung alleine und die Nennung einer Fantasiezahl an möglicherweise entstehenden Arbeitsplätzen aus, um eine Rodung von 20 ha Wald zu rechtfertigen? Und wenn ja, wie werden diese „erhöhten“ Interessen begründet?

„Mir war es wichtig, mit dieser Studie herauszufinden, ob unsere Forstrechtsgesetzgebung den Anforderungen der Zeit entspricht oder, ob gar Verfahrensmängel schuld an der Waldvernichtung in Ohlsdorf sein können? Die Frage, ob unsere Gesetzgebung geeignet ist, angesichts der voranschreitenden Klimakrise, unsere Wälder vor willkürlicher Zerstörung zu schützen, ist für mich von essenzieller Bedeutung“, erklärt Umwelt- und Klimalandesrat Stefan Kaineder seinen Studienauftrag:

Ist die aktuelle Raumordnungs- und Forstrechtsgesetzgebung ausreichend, um unsere Wälder vor Zerstörung zu schützen?

Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass im gegenständlichen Fall wohl mehrere Defizite im Vollzug der einschlägigen Materiengesetze vorliegen und auch den Vorgaben des EU-Naturschutzrechts nicht entsprochen wurde. Die gravierenden Begründungsmängel in der Rodungsbewilligung könnten als wesentlicher Verfahrensmangel sogar dazu führen, dass der Bewilligungsbescheid überhaupt rechtswidrig ist.

  1. Keine Berücksichtigung des Europaschutzgebiets im Umwidmungsverfahren

Das gegenständliche Grundstück befindet sich im unmittelbaren Nahebereich eines Europaschutzgebiets. Seine Grenzen liegen teilweise weniger als 200 Meter vom Vogelschutzgebiet „Untere Traun“ entfernt, in dem zahlreiche Vogelarten leben, die auf störungsarme Lebensräume und den Wald als Nahrungs- und Bruthabitat angewiesen sind (z.B. der Schwarzspecht). Das wäre bereits im raumordnungsrechtlichen Umwidmungsverfahren zu berücksichtigen gewesen. Kann nämlich ein Plan einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Europaschutzgebiets führen, ist eine Beschlussfassung des Plans nur zulässig, wenn zuvor eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde. Flächenwidmungspläne und deren Änderungen bedürfen grundsätzlich dann einer Umweltprüfung, wenn die Möglichkeit besteht, dass sie Europaschutzgebiete erheblich beeinträchtigen.

Eine solche Verträglichkeitsprüfung wurde jedoch im gegenständlichen Fall nicht durchgeführt. Auch den Raumordnungszielen, wie etwa der Schaffung und Erhaltung von Freiflächen zur Erholung oder der Sicherung eines ausgewogenen Naturhaushalts, dürfte das Projekt wohl nicht entsprechen, was vom Land als Aufsichtsbehörde jedenfalls stärker aufzugreifen gewesen wäre.

  • Erfordernis einer Naturverträglichkeitsprüfung

Zudem hätte die mögliche Betroffenheit des Europaschutzgebiets durch die Rodung, Fällungen und Bauvorhaben auch in einem naturschutzrechtlichen Verfahren berücksichtigt werden müssen. Gerade im Hinblick auf die bestehenden Vorbelastungen kann eine erhebliche Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden. Insbesondere können sich auch mehrere zeitliche versetzte Eingriffe auf Grund ihrer kumulierten Wirkung nachteilig auf das Schutzgebiet auswirken.

In dem Fall, dass eine Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden kann, ist aber von der oberösterreichischen Landesregierung eine Naturverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens ist im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu treffen. Die Tatsache, dass der verfahrensgegenständliche Vorfall bereits in der Vergangenheit liegt, steht in keinem Widerspruch zur Verpflichtung, eine solche Prüfung durchzuführen. Erhebliche Beeinträchtigungen eines Europaschutzgebiets müssen durch aktives Management präventiv verhindert und in jedem Fall so gering wie möglich gehalten werden. Das ergibt sich aus den einschlägigen unionsrechtlichen Vorgaben zum Störungs- und Verschlechterungsverbot derartiger Schutzgebiete:

Nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie haben die EU-Mitgliedstaaten jedenfalls geeignete Maßnahmen zu treffen, um in den besonderen Schutzgebieten eine Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen der geschützten Arten zu verhindern, sofern sich solche Störungen im Hinblick auf die Ziele der Richtlinien erheblich nachteilig auswirken könnten. Für einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot genügt bereits die Wahrscheinlichkeit bzw. Gefahr einer Verschlechterung oder einer erheblichen Störung.

Bereits jetzt weisen 80 Prozent der Arten und Lebensraumtypen in Österreich einen ungünstigen Erhaltungszustand auf. Erst im Herbst 2022 wurde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen des ungenügenden Schutzes der Europaschutzgebiete eingeleitet.

Laut der Europäischen Kommission fehlen für viele Natura 2000-Gebiete Erhaltungsziele und -maßnahmen bzw. werden Schutzgüter in den nationalen Schutzgebietsverordnungen nicht erfasst und können daher in den Naturverträglichkeitsprüfungen nicht entsprechend berücksichtigt werden. Die Bundesländer müssen klarer in ihren jeweiligen Verordnungen definieren, was konkret in den einzelnen Schutzgebieten geschützt wird, um schließlich über Prüfungsverfahren genau diesen Schutz aufrecht zu erhalten.

  • Wesentliche Begründungsmängel in der Interessensabwägung

Die Rodungen sind zudem auch aus Sicht des Forstgesetzes problematisch: Der Wald erfüllt zahlreiche Ökosystemleistungen und stellt für Menschen und Tiere einen wichtigen Lebens-, Aufenthalts- und Rückzugsraum dar. Aufgrund seiner hohen ökologischen und sozio-ökonomischen Bedeutung ist es wichtig, ihn zu erhalten. Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur ist daher grundsätzlich verboten und Rodungen sind im Allgemeinen untersagt. Die Behörde darf nur dann eine Rodungsbewilligung erteilen, wenn entweder kein besonderes öffentliches Interesse an der Walderhaltung besteht oder andere öffentliche Interessen überwiegen. Beim „öffentlichen Interesse“ handelt es sich jedoch um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Inhalt und Zweck im Rahmen einer Einzelfallbeurteilung bestimmt werden muss. Ob ein öffentliches Interesse vorliegt, ist von Amts wegen festzustellen, wenn unterschiedliche öffentliche Interessen bestehen, ist eine Abwägung nötig – wie eben im Fall Ohlsdorf:

Im konkreten Fall kam die Bezirkshauptmannschaft Gmunden als zuständige Forstbehörde zunächst zu dem Schluss, dass gemäß des Waldentwicklungsplans des Bezirks Gmunden die zu rodende Fläche eine erhöhte Wertigkeit der Wohlfahrtswirkung aufweist. Zudem bestätigte ein Gutachten des Amtssachverständigen, dass in der Gemeinde Ohlsdorf eine negative Waldflächendynamik (also ein Rückgang bewaldeter Flächen) vorliegt und der Anteil der bewaldeten Fläche im betroffenen Gebiet deutlich unter dem Bezirksdurchschnitt liegt. Die Forstbehörde hielt fest, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Walderhaltung der Rodung entgegensteht. Es galt, zwischen dem Erhaltungsinteresse und dem Interesse an einer nichtforstlichen Verwendung des Waldbodens abzuwägen.

Die Bezirkshauptmannschaft urteilte, dass die wesentliche Verbesserung des regionalen Wirtschaftsstandortes sowie die angekündigte Schaffung von 600 Arbeitsplätzen von einem höheren öffentlichen Interesse seien als die Erhaltung des Waldes. Als wesentlichen Faktor hielt sie die bereits rechtskräftige Widmung der Flächen als Betriebsbaugebiet fest.

Diese Argumentation ist gemäß Forstgesetz grundsätzlich zulässig, denn die Schaffung von Arbeitsplätzen kann ein öffentliches Interesse darstellen. Wird in einem Verfahren über eine Rodungsbewilligung allerdings die Schaffung von Arbeitsplätzen als öffentliches Interesse geltend gemacht, hat die Behörde zunächst entsprechende Ermittlungen durchzuführen: Es muss im Sinne einer Prognose festgestellt werden, ob und inwiefern das geplante Vorhaben sich auf die Arbeitsmarktsituation, die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen in der Gemeinde auswirken wird. Insbesondere kann dabei die Einholung einer fachlich fundierten Stellungnahme geboten sein. Anschließend kann auf Basis dieser Ermittlungen eine Interessensabwägung stattfinden, eine Entscheidung getroffen und ein Bescheid über die Bewilligung ausgestellt werden. In der Begründung des Bescheids sind alle bestehenden öffentlichen Interessen und deren Abwägung im Detail darzulegen. Die Begründung muss derart fundiert und schlüssig sein, dass sie objektiv nachgeprüft werden kann.

In dem gegenständlichen Bewilligungsbescheid wird jedoch nicht auf die Arbeitsmarktsituation in der Gemeinde Ohlsdorf und der umliegenden Region eingegangen, sodass nicht feststellbar ist, ob ein Interesse an zusätzlichen 600 Arbeitsplätzen überhaupt besteht. Zudem ist nicht ersichtlich, wie die Prognose der Behörde von 600 neuen Arbeitsplätzen entstanden ist. Aus dem Bewilligungsbescheid geht nicht hervor, dass ein arbeitsmarktfachliches Gutachten vorliegt, ergibt sich aus dem Bewilligungsbescheid nicht. Weder Ermittlungsverfahren noch die Begründung der Bewilligung dürften somit den Anforderungen anhand der Judikaturleitlinien entsprechen.

Auch in Bezug auf die Argumentation der Flächenwidmung treten wesentliche Begründungsmängel auf: Laut der zuständigen Forstbehörde bestehe aufgrund der bereits erfolgten rechtskräftigen Flächenwidmung ein öffentliches Interesse an der Errichtung des Betriebsbaugebiets.

Tatsächlich begründet die geplante Nutzung von Grundflächen für ein nach Flächenwidmungsplan zulässiges Bauvorhaben ein öffentliches Interesse (gemäß der ständigen Rechtsprechung des VwGH). Diese Umstände allein begründen allerdings noch kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Rodung, denn ausschlaggebend sind vielmehr die Gründe für die ursprüngliche Baulandwidmung im Wald. Hier ist als wesentlicher Punkt zu beachten, dass die Inanspruchnahme von Waldboden nur subsidiär, also nur dann erfolgen darf, wenn alle sonstigen Möglichkeiten einer Baulandbeschaffung ausgeschöpft wurden. Dementsprechend hätte auch in diesem Punkt die Forstbehörde begründen müssen, wieso das Interesse an der Verwirklichung des Bauvorhabens besteht.

Fazit:

Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass im forstrechtlichen Rodungsbewilligungsverfahren tatsächlich sowohl arbeitsmarktpolitische Gründe als auch das Siedlungswesen als zulässige öffentliche Interessen geltend gemacht werden können. Allein dieser Umstand reicht allerdings noch nicht aus, um ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verwirklichung eines Bauvorhabens und der Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als zur Walderhaltung zu begründen. Ein überwiegendes öffentliches Interesse wäre von der zuständigen Forstbehörde, im gegenständlichen Fall also der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, unter Zugrundelegung von Fachgutachten im Rahmen einer gesetzlichen und überprüfbaren Interessensabwägung festzustellen gewesen.

Ein Begründungsmangel stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar: Findet eine gesetzmäßige Interessensabwägung nicht statt, so ist der Bewilligungsbescheid grundsätzlich rechtswidrig.

„Am Ende bleibt nun für mich klar stehen: die oö. Raumordnungsgesetzgebung ist absolut nicht geeignet, unsere Wälder und Böden ausreichend vor Zerstörung zu schützen. Schon gar nicht, wenn die Aufsichtsbehörde trotz schwerwiegender negativer Stellungnahmen, wie jener des Forstsachverständigen, oder fehlenden Stellungnahmen zu naturschutzrechtlichen Fragen unbeachtet lässt und Widmungen nicht versagt. Das österreichische Forstgesetz wäre allerdings geeignet, unsere Wälder zu schützen. Nur leider müssen wir sehen, dass im Vollzug des Gesetzes anhand des traurigen Beispiels in Ohlsdorf schwere Mängel passiert sind. Laut der Studie ist die Rodungsbewilligung der Bezirkshauptmannschaft rechtswidrig, da wesentliche Grundlagen für die Abwägung des öffentlichen Interesses im Bescheid fehlen, sieht sich Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder durch die Studie bestätigt. „Wir können nicht mehr zulassen, dass angesichts der voranschreitenden Klimakrise und des horrenden Artensterbens riesige Naturräume nur zum Wohle einzelner Profiteure weggeräumt werden.“

Kaineder wird die Studie den oberösterreichischen Forstbehörden, der oö. Raumordnung und der Amtsleitung zur Verfügung stellen, um auf die Mängel in der Causa Ohlsdorf hinzuweisen und gleichzeitig zu sensibilisieren, dass Rodungen nur mit ausreichend begründetem öffentlichen Interesse rechtsgültig sind.