Umweltverträglichkeitsprüfung zur Energiewende vor Genehmigung

Pressekonferenz mit Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder und Mag. Jürgen Frank (Leiter Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Wasserrecht – Land OÖ)

zum Thema

Bedeutende Umweltverträglichkeitsprüfung zur Energiewende abgeschlossen – Großverfahren zur sicheren Stromversorgung für den Zentralraum Oberösterreich in Höchstgeschwindigkeit abgewickelt – 220-Kilovolt-Versorgungsring ermöglicht auch klimaneutrale Transformation der voestalpine

Derzeit wird der Zentralraum Oberösterreich über eine 110-kV-Hochspannungsleitungnetz mit Strom versorgt. Die ältesten Abschnitte stammen aus den 1940er Jahren. Da das veraltete Netz für künftige Herausforderungen zur Bewältigung der Klimakrise nicht ausgelegt ist und völlig neue Anforderungen an das Netz gestellt werden, wie etwa die Umstellung der Stahlerzeugung von Kohle auf Strom, ist eine schleunige Aufrüstung von höchster Bedeutung – gerade auch für den Industrie- und Wirtschaftsmotor im Zentralraum. Mit der Errichtung eines neuen 220-kV-Versorgungsringes sollen die hohen Erwartungen an ein klimafittes Stromnetz für Generationen erfüllt werden.

Die Austrian Power Grid AG – APG, die Netz Oberösterreich GmbH, Energie AG Oberösterreich sowie die LINZ NETZ GmbH haben Ende November 2021 einen Antrag auf Genehmigung nach dem UVP-G 2000 für das Vorhaben „Sichere Stromversorgung für den Zentralraum Oberösterreich“ bei der Oö. Landesregierung gestellt. Im Projekt sind Baumaßnahmen für den Ersatzneubau bestehender Leitungen, Spannungsumstellungen von 110-kV auf 220-kV sowie Aus- und Umbauarbeiten in insgesamt acht Umspannwerken vorgesehen. Für die Errichtung der neuen Leitungen werden bestehende Leitungstrassen genutzt, um den Eingriff auf Mensch, Umwelt und Natur so gering wie möglich zu halten.

Aufgrund der zentralen Bedeutung des neuen Versorgungsrings für die Energiewende in Oberösterreich sowie generell für Verfahren mit energiewirtschaftlichem Bezug hat Umwelt- und Klima-Landesrat die Überholspur ausgerufen: „Jene UVP-Verfahren mit energiewirtschaftlichem Bezug werden nach meiner Anweisung prioritär behandelt. Auch für den neuen Versorgungsring gilt eine Fasttrack. Dieses Verfahren ist nicht nur angesichts der drängenden Klimakrise von enormer Bedeutung, es ist auch durch das hohe Ausmaß an Komplexität und der unglaublich großen Anzahl an Beteiligten und Parteien eine große Herausforderung für die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der UVP-Behörde“, weiß Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder.

„Mit großer Freude darf ich hiermit bekanntgeben, dass die Genehmigung für einen wichtigen Baustein der Klimawende in Oberösterreich von mir erteilt wurde. Ich bedanke mich bei der APG für die gute Planung und Vorbereitung der Unterlagen sowie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der UVP-Behörde für die professionelle und engagierte Durchführung des Verfahrens. Das hat eine Bescheiderlassung nach nur 16 Monaten in einem der komplexesten Verfahren der vergangenen Jahrzehnte möglich gemacht Damit kann nun der Baustart ab 2024 möglich sein, es wird auch der enge Zeitplan zur schrittweisen Inbetriebnahme ab 2026 eingehalten werden können“, freut sich Kaineder.

„Der neue Versorgungsring ermöglicht neben einer langfristigen Stilllegung der fossilen Kraftwerke im Zentralraum Oberösterreichs auch die Umstellung der Stahlproduktion der voestalpine von fossil betriebenen Hochöfen auf Lichtbogenschmelzöfen. Zusätzlich bringt die Leitung Versorgungssicherheit auf viele Jahrzehnte und ist ein weiterer Meilenstein, wenn es etwa um Potenziale zum Einspeisen erneuerbarer Energie wie Photovoltaik oder um Blackout- und Versorgungssicherheit geht. Mit dem Zukunfts-Upgrade der Stromleitung bekommen ein frisches Herz im Zentrum unseres Landes, das auf Generationen hinweg pulsieren wird“, fasst Kaineder die wesentlichsten Vorteile des Projektes nochmal zusammen.

UVP-Verfahren „Sichere Stromversorgung Zentralraum OÖ“

Das Verfahren zur Genehmigung dieses Vorhaben wurde als UVP-Verfahren in Form eines Großverfahrens geführt. Es umfasst kurz zusammengefasst sowohl die Neuerrichtung von Leitungsanlagen als auch die Änderung von Umspannwerken und den Ersatzneubau von bestehenden Leitungsanlagen. Dabei erstreckt sich das Projekt in Oberösterreich auf die Standortgemeinden Linz, St. Florian, Asten, Enns, Hargelsberg und Kronstorf. In Niederösterreich sind die Gemeinden Ernsthofen, St. Valentin, St. Pantaleon-Erla berührt. Für die Errichtung der neuen Leitungen werden bestehende Leitungstrassen von der Austrian Power Grid, Netz OÖ und LINZ NETZ genützt.

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung war deshalb erforderlich, weil es sich um eine Starkstromfreileitung mit einer Nennspannung von 220kV und einer Länge von über 15 km handelt.

Was ist ein Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren?

Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren sind Verfahren, die für besonders große Projekte durchgeführt werden. In diesen Umweltverfahren werden die möglichen Umweltauswirkungen, die durch ein Projekt verursacht werden könnten, im Vorhinein untersucht und abgeschätzt. Relevante Umweltaspekte sind etwa Wasser, Luft, biologische Vielfalt der Tiere, Pflanzen und Lebensräume und andere.

Zeigt sich in der Umweltprüfung, dass schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Umwelt durch das geplante Vorhaben zu erwarten sind und diese nicht verhindert oder auf ein verträgliches Ausmaß reduziert werden können, wird die Genehmigung verwehrt und das Projekt darf nicht verwirklicht werden. Andernfalls muss die Behörde die Umweltverträglichkeit durch strenge Bedingungen und Auflagen sicherstellen.

Verfahrensablauf „Sichere Stromversorgung Zentralraum OÖ“ im Detail

Der Antrag langte am 29. November 2021 beim Amt der Oö. Landesregierung ein. Nach einer ersten fachlichen Prüfung konnte eine Kundmachung des Vorhabens im Mai 2022 mit Edikt vorgenommen werden. In der Zeit vom 11. Mai 2022 bis 24. Juni 2022 bestand für jedermann die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme und für Parteien die Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen. Innerhalb dieser Frist langten zahlreiche Stellungnahmen und Einwendungen ein, die alle einer inhaltlichen Beurteilung unterzogen wurden.

Das Umweltverträglichkeitsgutachten wurde von 27. Oktober 2022 bis 28. November 2022 zur öffentlichen Einsicht aufgelegt und in der Folge die öffentliche mündliche Verhandlung im Design Center von 29. November 2022 bis 2. Dezember 2022 durchgeführt, an der die Parteien des Verfahrens und die Antragsteller/innen teilnahmen. Von der UVP-Behörde arbeiteten an diesen Tagen im Schnitt täglich rund 12 Personen mit. Bis 130 Vertreter/innen der Parteien und Beteiligten sowie Behördenmitarbeiter/innen waren bei der mündlichen Verhandlung vor Ort.

Sachverständige aus 17 verschiedenen Fachbereichen zur Abwicklung

Diese Stellungnahmen wurden zusammen mit dem Projekt in 17 verschiedenen Sachgebieten einer fachlichen Prüfung unterzogen. Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung wurden mögliche Ursachen von Umweltauswirkungen betrachtet. Wobei insbesondere Eingriffe in Natur und Landschaft, elektromagnetische Felder, Schallemissionen im Hinblick auf Bau-, Betriebs- und Verkehrslärm, Luftschadstoffemissionen, Veränderung der Bodenstruktur, quantitative und qualitative Veränderung des Gewässerzustandes einer detaillierten Prüfung unterzogen wurden.

Im Rahmen der UVP wurden Gutachten von 17 Sachverständigen eingeholt. In diesen Gutachten wurden die möglichen erheblichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umweltmedien wie Untergrund und Boden, Grund- und Oberflächenwasser, Luft, Mikro- und Makroklima, Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume sowie den Menschen mit den Schutzinteressen Gesundheit und Wohlbefinden, Sach- und Kulturgüter, Landschaftsbild und Erholungswert, Ortsbild, öffentliche Konzepte und Pläne inkl. Entwicklung des Raums sowie Nutzungen und Funktionen ausführlich geprüft und beurteilt.

Aufbauend auf Befund und Gutachten wurden seitens der Sachverständigen die möglichen unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen der durch das Vorhaben verursachten Wirkungen auf Schutzgüter und Schutzinteressen geprüft.

Energiewirtschaftlicher Aspekt

Aus energiewirtschaftlicher Sicht konnte festgehalten werden, dass der Bedarf an Strom aufgrund der Transformationen bei der Energieversorgung in nächster Zeit entsprechend den Prognosen zusätzlich steigen wird, nachdem bisherige Bereiche mit fossilem Energieeinsatz vermehrt durch elektrische Energie versorgt werden sollen. Damit die zusehends steigenden erneuerbaren elektrischen Energiemengen in den Zentralraum Oberösterreich gelangen können, stellt eine Anhebung der Übertragungskapazität in der Form des 220-kV-Ringes eine technisch zukunftsorientierte Lösung dar.

Klimapolitischer Aspekt

Hinsichtlich Meteorologie, Klima und Klimawandel ergab sich, dass das Vorhaben insbesondere durch die Möglichkeit der Einbindung weiterer erneuerbarer Energien sowie der Einsparung von CO2 ein wichtiger Schritt zur Erreichung der energiepolitischen und klimapolitischen Ziele ist. Das Vorhaben ist hinsichtlich Klimaschutz jedenfalls positiv zu bewerten.

Naturschutzinteressen

Die durch das Vorhaben betroffenen Lebensräume im Europa- und Naturschutzgebiet Traun-Donau-Auen lassen sich einerseits rasch wiederherstellen und andererseits sind durch die geplanten Maßnahmen erhebliche Verbesserungen im Erhaltungsgrad der meisten betroffenen Flächen möglich. Ein Widerspruch zum Schutzweck der Naturschutzgebiete wird nicht erkannt, da der Artenreichtum der Magerwiesen und Halbtrockenrasen geschützt wird und geschlossene Waldbestände und Gewässerflächen auf den berührten Naturschutzgebietsflächen kaum bis nicht betroffen sind. Durch Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen wird ein Ausgleich geschaffen.

Erhebliches Öffentliches Interesse

Im Rahmen der Umweltverträglichkeitserklärung wurde umfassend dargelegt, dass die Umsetzung der 220-kV-Leitungen zur Anbindung der UW Wegscheid, Hütte Süd und Pichling an die Knotenpunkte Ernsthofen und Kronstorf und in weiterer Folge an den 380-kV-Ring unverzichtbar für die nachhaltige Versorgung des Großraums Linz und des gesamten Mühlviertels sind. Ohne die umgehende Verwirklichung des Vorhabens „Stromversorgung Zentralraum OÖ“ kommt es zu wesentlichen negativen Auswirkungen auf die regionale und nationale Stromversorgung, den Wirtschafts- und Forschungsstandort sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien in Oberösterreich.

Die geplanten Leitungen verfügen nicht nur über eine wesentlich höhere Transportkapazität, sondern können durch die verbesserte Netztopologie und die neuen zusätzlichen Umspannwerke die Versorgungssicherheit maßgeblich und nachhaltig erhöhen. Darauf aufbauend können auch wesentlich höhere Einspeisemengen aus erneuerbaren Energieträgern abtransportiert werden – ein wesentlicher Punkt, da sich Oberösterreich insbesondere zum Ziel gesetzt hat, einen ambitionierten Photovoltaikausbau zu verfolgen.

Versorgungssicherheit im Zentralraum gestärkt – Beitrag zum Klimaschutz

In der Gesamtaussage wurde im Umweltverträglichkeitsgutachten festgehalten, dass der Umsetzung des Vorhabens keine zwingenden fachlichen Gründe im Sinne des UVP-G 2000 entgegenstehen, wenn das Vorhaben so wie geplant umgesetzt wird. Insgesamt ergab die Gesamtbetrachtung des geplanten Vorhabens, dass dieses als umweltverträglich eingestuft werden konnte. Insbesondere ergab sich im Verfahren, das positive Auswirkungen auf Energiewirtschaft und Klimaschutz zu erwarten sind. Damit wird die Versorgung mit elektrischer Energie im Zentralraum Oberösterreichs gestärkt.

Zusammenfassung

Neben den Ausführungen zu den Interessen der sonstigen Parteien und Beteiligten kann allgemein festgehalten werden, dass sich aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ergibt, dass das Vorhaben zu keinen erheblichen Belastungen der Umwelt durch nachteilige Einwirkungen führt, die den Boden, die Luft, die Pflanzen oder den Tierbestand oder den Gewässerzustand bleibend schädigen könnten.

Zusammenfassend ergab die Prüfung des Vorhabens, dass das Projekt „Stromversorgung Zentralraum OÖ“ nach den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen umweltverträglich und zulässig ist.