Drohende Preissteigerungen für Fernwärme-Kund:innen müssen abgewendet werden

Pressekonferenz mit Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder und MMag. Michael Hammermüller (Leiter Wirtschaftsrecht – Land OÖ)

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Drohende Preissteigerung bei Fernwärme muss abgewendet werden – Nächste Schritte zur Preisfestsetzung durch das Konsument:innenschutzressort – „Inflationsdämpfung muss jetzt Vorrang haben“

Fernwärmeversorger unterliegen grundsätzlich dem Preisgesetz 1992. Aufgrund bescheidmäßiger Delegierungen wurde die Regelungskompetenz für die drei größten Fernwärmeversorger in OÖ, konkret Energie AG, Linz AG und eww, an das Land Oberösterreich übertragen. Hintergrund dieser Regelung ist unter anderem der Schutz der Konsument/innen vor ungerechtfertigten Preisfestsetzungen der agierenden Fernwärmenetzbetreiber.

Um eine objektive und oberösterreichweit einheitliche Systematik zur Feststellung der Kosten für Erzeugung und Lieferung von Fernwärme und deren Fortschreibung zu schaffen, wird vom Land OÖ seit 2016 ein indexbasiertes Kalkulationsmodell eingesetzt, nach diesem die Fernwärmenetzbetreiber ihre Preisanträge einreichen müssen. Aufgrund der massiv volatilen Situation auf den (Energie-)märkten und hoher Inflation stößt das Preismodell aktuell an seine Grenzen und sind die errechneten Preissteigerungen unvertretbar. Je nach Fernwärmeversorger wären Steigerungen zwischen 60 und über 100 Prozent möglich. Laut Preisgesetz müssen Preisfestsetzungen volkswirtschaftlich gerechtfertigt sein, was das eingesetzte Preismodell in der aktuellen Situation nicht abbildet.

Das für die Preisfestsetzung bei der Fernwärme zuständige Mitglied in der Oö. Landesregierung, Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder, hat daher vor knapp zwei Wochen angekündigt, dass angesichts der drohenden Preissteigerungen das zugrundeliegende Preismodell für heuer ausgesetzt wird, da es in Krisenzeiten ungerechtfertigte und jedenfalls nicht volkswirtschaftlich gerechtfertigte Preissteigerungen zulässt.

„In Zeiten hoher Inflation wäre es nicht nur unverantwortlich, den Fernwärme-Kund:innen Preissteigerungen bis zu 100 Prozent aufzubürden, es wäre auch eine Maßnahme, die weiter inflationstreibend wirken würde. Indexbasierte Erhöhungen müssen jetzt durchbrochen werden“, verweist Kaineder auch auf klare Aussagen vieler führender Wirtschaftsforscher:innen, die seit Wochen Maßnahmen zu einer  Eindämmung der Inflation fordern. Allen voran der WIFO-Chef Gabriel Felbermayr, der es als Gebot der Stunde sieht, die Inflationsdynamik einzubremsen.

„Es ist der Zeitpunkt gekommen, in dem die Politik eingreifen muss, damit Kostensteigerungen nicht mehr weiter die Inflation anheizen. Es sind die starken und breiten Schultern der Energiekonzerne, die diesen Rucksack jetzt zugunsten vieler tausender Menschen schultern sollen. Die Chance, hier einzubremsen, muss jetzt genutzt werden. Es ist politischer Auftrag an mich als Konsument:innenschutzlandesrat, mich für die Oberösterreicher:innen einzusetzen und einen gerechtfertigten Preis für Fernwärme sicherzustellen“, so Kaineder.

Kaineder führt laufend mit allen betroffenen Fernwärmenetzbetreibern intensive Gespräche, wie die Preisanträge ausgestaltet werden können. „Fernwärme ist eine der günstigsten und effizientesten Heizungsformen und soll dies auch bleiben“, so Kaineder. Zudem hat Kaineder für 3. Juli 2023 eine Sitzung der Mitglieder der Preiskommission veranlasst, in dieser soll über die Preisanträge beraten werden. Die Linz AG hat in Gesprächen mit LR Kaineder bereits angekündigt, dass sie ihren Antrag auf Preiserhöhung von 18 Prozent nochmals überarbeiten werden.

„Bei Betrachtung der relevantesten Indizes wird klar, dass voriges Jahr ein absolutes Ausnahmejahr darstellt. Es zeigt sich auch, dass eine große Preiserhöhung bei aktuell enorm sinkenden Preisen am Gasmarkt sowie am Ökostrommarkt weder volkswirtschaftlich noch sozialpolitisch gerechtfertigt wäre“, so Kaineder.

Entwicklung wesentlicher Preisinidizes

Hintergründe und Grundlagen Preisfestsetzung Fernwärme

Die Festlegung der Preise von Fernwärmelieferungen ist in § 3 Abs. 2 Preisgesetz 1992 grundgelegt. Dieser bestimmt, dass die Behörde volkswirtschaftlich gerechtfertigte Preise unabhängig von einer unmittelbar drohenden oder bereits eingetretenen Störung der Versorgung festlegen kann.

Zuständigkeit

Der Landeshauptmann von Oberösterreich wurde mit Delegierungsbescheiden des Bundesministers für Wirtschaft beauftragt, die dem Bundesminister nach dem Preisgesetz zustehenden Befugnisse in Bezug auf die Abgabepreise von Fernwärme durch die Energie AG, die Linz AG sowie die EWW, auszuüben. Diese Bescheide sind bis zu deren Aufhebung gültig. Die Zuständigkeit innerhalb der Oö. Landesregierung ergibt sich aus der Geschäftsverteilung.

Volkswirtschaftlich gerechtfertigter Preis

Nach § 6 Preisgesetz 1992 sind Preise volkswirtschaftlich gerechtfertigt, wenn sie sowohl den bei der Erzeugung und im Vertrieb oder bei der Erbringung der Leistung jeweils bestehenden volkswirtschaftlichen Verhältnissen als auch der jeweiligen wirtschaftlichen Lage der Verbraucher oder Leistungsempfänger bestmöglich entsprechen, dabei sind allenfalls auch allgemeine wirtschafts- oder währungspolitische Zielsetzungen bzw. spezielle Gegebenheiten des betroffenen Marktes mit zu berücksichtigen. Die Festsetzung erfolgt in den aktuellen Fällen als Höchstpreis.

Ausgangspunkt für die Errechnung des volkswirtschaftlich gerechtfertigten Fernwärmepreises ist grundsätzlich die an den Kosten für die Erzeugung und den Vertrieb der Fernwärme orientierte betriebswirtschaftliche Kalkulation unter Einschluss des Bedarfs an Investitionsmitteln, der Gewinnerwartung und der Bildung allfälliger Rücklagen. Die nach volkswirtschaftlichen Erfordernissen berichtigte und auf den tatsächlichen Investitionsbedarf reduzierte betriebswirtschaftliche Kalkulation stellt grundsätzlich das Minimum des volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preises dar, wobei hierbei die drei Höchstgerichte übereinstimmen, dass sich die Orientierung der Preisbestimmung an den produktbezogenen Kosten eines hypothetischen, rationell geführten typischen Durchschnittsbetriebes zu orientieren hat und nicht unbedingt an denen eines bestimmten Betriebes.

Gewinn

Da das Preisgesetz im Wesentlichen Preise für private Wirtschaftsbetriebe festlegt, ist davon auszugehen, dass der volkswirtschaftliche Preis einen kalkulatorischen Gewinn umfasst. Allerdings ist die in die betriebswirtschaftliche Kalkulation aufzunehmende Gewinnerwartung auf das volkswirtschaftlich übliche Maß zu reduzieren.

Wenn dringende Investitionsvorhaben dies verlangen oder die wirtschaftliche Lage der Verbraucher dies erfordert, werden Fernwärmeversorgungsunternehmen (öffentlicher Auftrag) auch mit geringeren als den üblichen Gewinnspannen oder in Ausnahmesituationen (zB Wirtschaftskrisen) sogar zeitweilig ohne eine entsprechende Gewinnposition kalkulieren müssen.

Wirtschaftliche Lage der Verbraucher:innen

Wirtschaftlich vertretbar wird ein Preis nur dann sein, wenn er die finanzielle Leistungskraft des Verbrauchers nicht derart einschränkt, dass diesem eine Lebensführung nach allgemein üblichem und zumutbarem Standard wesentlich erschwert wird. Maßstäblich können dabei immer nur die Endverbraucher werden. Ist die betriebswirtschaftliche Kalkulation nach den obigen Gesichtspunkten „volkswirtschaftlich“ unter Einschluss der Investitionsfrage bereits bereinigt, ist nur noch die Gewinnerwartung des Unternehmens mit den Verbraucherinteressen in einen bestmöglichen Ausgleich zu bringen.

Prognosepreis

Die amtliche Preisfestsetzung wirkt immer für die Zukunft. Da der volkswirtschaftlich gerechtfertigte Preis aufgrund von Wirtschaftsdaten ermittelt werden muss, diese jedoch im Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung für den Zeitraum, in dem die künftige Preisfestsetzung wirken soll, noch nicht bekannt sind, handelt es sich bei der Preisfestsetzung nach dem Preisgesetz um eine sogenannte „Prognoseentscheidung“, die im Wege der Sachverständigenschätzung erstellt wird.

Unter dem Zeitspannengesichtspunkt kann der amtliche Preis immer nur ein Durchschnittswert sein, der aus der Summe aller im prognostizierten Zeitraum erwarteten Änderungen der Wirtschaftsdaten resultiert. Die volkswirtschaftliche Rechtfertigung eines Preises muss sich daher nicht in jedem beliebigen Zeitpunkt erweisen lassen, vielmehr muss sie an Hand der für die der Preisfestsetzung zugrundeliegende Zeitspanne und der dafür prognostizierten Wirtschaftsdaten zu rechtfertigen sein. Ist nicht absehbar, wie lange eine – der Preisfestsetzung zu Grunde gelegte – wirtschaftliche Entwicklung anhält und wird eine Preisfestsetzung unbefristet erlassen, ist davon auszugehen, dass die „Zeitspannenüberlegung“ zum preisbestimmenden Sachverhalt perpetuiert. Sie ist so lange bindend, als nicht neue, wesentlich veränderte Sachverhalt eintreten.