Der Mensch im Klimastress – Klimakatastrophe oder lebenswerte Zukunft?

Pressekonferenz mit Landesrat Stefan Kaineder und Katharina van Bronswijk (Psychologists and Psychotherapists for Future – Deutschland)

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Der Mensch im Klimastress – Klimakatastrophe oder lebenswerte Zukunft? – Oö. Klimagipfel spannt Bogen von internationaler Dimension zu persönlichem Alltag

„In den vergangenen Jahren hat sich der Blick auf die Zukunft eingetrübt. Die weltweite Pandemie mit ihren schwerwiegenden gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen hat gezeigt, wie fragil unsere globalisierte Welt sein kann. Und seit einem halben Jahr zeigt uns ein vor den Toren Europas geführter Angriffskrieg eines Despoten, wie fatal auch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nicht nur für das Klima ist. Zusätzlich rückt die größte Bedrohung für die Menschheit mit der voranschreitenden Überhitzung des Planeten und das geradewegs Zusteuern auf eine Klimakatastrophe immer näher in den Vordergrund“, zieht der oberösterreichische Umwelt- und Klimalandesrat Stefan Kaineder Resümee.

Das Jahr 2022 reiht sich in ein Rekordjahr für Hitze und Dürre ein. In Summe war der Sommer 2022 laut Auswertung der ZAMG der viertwärmste seit Messbeginn im Jahre 1767. Der Sommer 2022 hat auch wieder verdeutlicht, dass Höchstwerte über 35 Grad mittlerweile keine Seltenheit mehr sind, so wurde diese Schwelle in fast allen Bundesländern – mit der Ausnahme von Salzburg und der Steiermark – in allen drei Sommermonaten erreicht. Die Zahl der Hitzetage hat sich in den vergangenen Jahrzehnten mehr als verdoppelt. Dieser Trend wird sich künftig fortsetzen.

Der derzeitige Pfad, rechnen Klimaexpert/innen vor, ist eine globale Erwärmung von drei Grad Celsius. Bedenkt man, mit welchen Auswirkungen wir bereits heute bei 1,2 Grad Celsius zu kämpfen haben, ist eine Welt mit 3 Grad Erwärmung für viele nicht vorstellbar. Flut- und Brandkatastrophen sowie desaströse Dürreperioden mit Millionen von Toten erwartet auch der Weltklimarat. Leider ist dieses Szenario aber bei Betrachtung der Entwicklung des Treibhausgasausstoßes nicht sehr unwahrscheinlich. Diese weitreichende Veränderung wird sich laut Forscher/innen aber nicht nur auf extreme Wetterereignisse beschränken, sie wird auch Finanzkrisen, militärische Konflikte und Krankheitsausbrüche wie Covid19 auslösen.

Die noch nicht veröffentlichte aktuelle Treibhausgasbilanz Österreichs und auch Oberösterreichs (1990 bis 2020) zeigt, dass weder bundesweit noch im Land Oberösterreich eine Reduktion klimaschädlicher Gase gelungen ist. So zeigt sich etwa im Sektor Verkehr sogar eine Zunahme von 58 Prozent oder in der Industrie von 19 Prozent an Treibhausgasemissionen in Oberösterreich. Bei Betrachtung des für die Klimaerwärmung wesentlichsten Parameters kann schon Ohnmacht aufkommen. Aber es gibt hier zumindest auch positive Trends. So konnte zumindest in den Sektoren Gebäude (minus 42 Prozent), Energie (minus 62 Prozent), Abfallwirtschaft (minus 24 Prozent) und Landwirtschaft (minus 16 Prozent) eine Reduktion erreicht werden.

„Diese Fakten, Aussichten und Prognosen sind für die Menschen eine schwere psychische Belastung. Die Klimakrise setzt uns unter Stress. Persönlich, wirtschaftlich und (geo-)politisch. Umwelt- und Ressourcenprobleme werden zunehmend zum Krisenfaktor, sie sind eine Herausforderung für unser Zusammenleben und die Demokratie. Aber auch hohe Energiekosten bzw. die Weichenstellungen hin zu einem klimafreundlichen Lebensstil kann Stress mit sich bringen. Wir möchten daher den Menschen in den Fokus des diesjährigen Klimagipfels stellen und einen Bogen von der internationalen Dimension hin zum Alltag in Österreich spannen“, so der oberösterreichische Umwelt- und Klimalandesrat Stefan Kaineder.

Oö. Klimagipfel 2022 – Der Mensch im Klimastress – Von der Betroffenheit zum Handeln

Gesundheitliche Risiken nehmen zu und Hitze und Trockenheit werden zunehmend zur Gefahr für Menschen. Das Hitze-Mortalitätsmonitoring, das gemeinsam von der AGES und der ZAMG betrieben wird, zeigt, dass es in Österreich bereits in vier der vergangenen zehn Jahre mehr Hitzetote als Tote im Straßenverkehr gegeben hat. Vor allem städtische Ballungsräume sind die Hitze-Hotspots mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit. Der hohe Flächenverbrauch und die Bodenversiegelung verstärken die Hitze- und Dürreeffekte zusätzlich. Langfristig könnten lange Dürre- und Hitzeperioden auch die Trinkwasserversorgung gefährden, wie es etwa in Italien in diesem Jahr der Fall war.

Die Intensität und die Häufigkeit von kleinräumigen Starkniederschlägen sind in Österreich in einem sich erwärmenden Klima im Zunehmen begriffen. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ist von einer weiteren Zunahme von schweren, schadensverursachenden Gewittern in Österreich auszugehen. Diese wird umso stärker ausfallen, je mehr Treibhausgase ausgestoßen werden.

Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie abhängig und verletzlich unsere Gesellschaft insbesondere im Bereich Energie ist. Um Österreich unabhängiger von Importen fossiler Energien und damit resilienter gegenüber äußeren Einflüssen zu machen, sind sowohl der Ausbau erneuerbarer Energien als auch die Verringerung des Energieverbrauchs unverzichtbar.

Wie die Bevölkerung in beiden Bereichen betroffen ist, erhebt regelmäßig das SORA Institut im Auftrag des Landes Oberösterreichs. In etwa drei Viertel glauben an Betroffenheit durch verschiedene Folgen der Klimakrise:

  • extremes Wetter und Schädlinge werden Erholungsraum Wald zerstören;
  • Hitzewellen beeinträchtigen körperliches Wohlbefinden und Gesundheit;
  • Wasserknappheit, Einschränkungen im persönlichen Verbrauch durch Trockenheit, sinkender Grundwasserspiegel.

84 Prozent der Bevölkerung sieht eine aktive Klimapolitik nötig, damit Kinder eine lebenswerte Erde vorfinden. 61 Prozent der Bevölkerung glaubt, dass die Politik in Oberösterreich noch zu wenig gegen die Klimakrise tut (stimme sehr zu, stimme ziemlich zu; Befragungen 2022). Die junge Generation (Alter 16 bis 25 Jahre) sieht die Politik, die Wirtschaft als auch jeden einzelnen gleichermaßen gefordert, im Kampf gegen den Klimawandel etwas zu unternehmen (Ö3 Generation Krise 2022).

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung veränderte ihr klimarelevantes Verhalten (Konsumverzicht, weniger Fleischkonsumation, ÖV statt Auto) zwischen 2018 und 2020 zumindest gelegentlich (Städtebund Städtebarometer 2020).

Lokalen Maßnahmen für Klimaschutz wird große Wirksamkeit für den Klimaschutz zugeschrieben (ÖV, Radinfrastruktur, Begrünungen und naturnahe Gestaltungen, etc). Für mehr als zwei Drittel der Befragten wird „in den kommenden Jahren Klimaschutz wichtigste Aufgabe der Stadt-/Gemeindepolitik“.

Beim heute Abend stattfindenden oö. Klimagipfel wird die psychologische Komponente der Auswirkungen der Klimakrise einen zentralen Teil einnehmen. Neben vielen namhaften Expert/innen wird sich die Sprecherin der Psychologists and Psychotherapists for Future Katharina van Bronswijk mit der Frage beschäftigen: „Was macht die öklologische Krise mit uns?“

„Klima im Kopf“ – Buchautorin Katharina van Bronswijk

Angst vor Überflutungen, Schuldgefühle wegen des letzten Urlaubsfluges, Wut über die Untätigkeit der Regierungen: Immer mehr Menschen, besonders jüngere, fühlen den emotionalen Druck des Klimawandels – Phänomene wie Klimaangst, „eco depression“, Verdrängungsmechanismen und „activist burnout“. Im Fokus der Veranstaltung steht auch, welchen Einfluss die Klimakrise auf unsere psychische Gesundheit hat, welche mentalen Hürden wir auf dem Weg zu mehr Klimaschutz überwinden müssen – und wie wir unsere Emotionen als Antrieb für gesellschaftliche Veränderung nutzen können.

Wir begegnen der ökologischen Krise mit einem ganzen Bündel an Emotionen. Und das ist gut so, sagt die Psychotherapeutin Katharina van Bronswijk. Im Buch „Klima im Kopf“ erklärt sie, welchen Einfluss die Klimakrise auf unsere psychische Gesundheit hat, welche mentalen Hürden wir auf dem Weg zu mehr Klimaschutz überwinden müssen – und wie wir unsere Emotionen als Antrieb für gesellschaftliche Veränderung nutzen können.

Angst, Trauer und Wut sind gesunde Reaktionen auf essenzielle Bedrohungen wie Klimawandel und Massenaussterben. Wir brauchen sie, um Motivation für Veränderung zu entwickeln und gesellschaftliche Normen zu hinterfragen.

Wenn man sich der Größe des Problems bewusst wird, dann fühlt sich das erstmal überfordernd an, man leugnet das Problem vielleicht. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Man wird vielleicht wütend – warum haben vorherige Generationen, die Verantwortlichen nichts getan – warum soll ausgerechnet ich mich ändern (Anger). Man kommt in die Handlung, aber ist noch hin und her gerissen – es kommt zu Alibimaßnahmen, Greenwashing, man versucht sich das Problem schön zu reden oder es zu vergessen (Bargaining), dann gibt es Phasen der Überwältigung, Hilflosigkeit, starke Ängste können hochkommen, vielleicht ist man gelähmt. Am Ende müssen wir uns dem Problem aber zuwenden – es akzeptieren und in die Handlung kommen, damit wir die Transformation schaffen. Unsere Werte können uns eine Antwort darauf liefern, wer wir sein wollen in dieser Zeit.

Van Bronswijk, Sprecherin der Psychologists for Future, betont: „Wenn die Klimakrise Gefühle auslöst, ist mit den Gefühlen alles in Ordnung. Die Frage ist vielmehr, wie wir mit ihnen umgehen: Auf echte Bedrohungen sollte eine gesunde Psyche mit unangenehmen Gefühlen reagieren, sie zeigen uns, dass es was zu tun gibt.“ Und zu tun gibt es genug!

Weitere spannende Themen und Referent/innen sind:

  • „Klimakrise endlich gelöst?“ – Martin Moder, Science Buster, Wien
  • From Limits to growth to wellbeing economics- Peter Hennicke, Club of Rome International und Martin Hoffmann Club of Rome Chapter Austria
  • „Klimarat der BürgerInnen – ein Weg zur Mitbestimmung?“ mit Madeleine Stranzinger, Teilnehmerin am Klimarat und Mitinitiatorin des Vereins der Klimarät:innen und Georg Tappeiner, ARGE Klimarat, Leiter Prozessdesign des Klimarats

Nähere Informationen zur Veranstaltung „Oberösterreichischer Klimagipfel 2022: Der Mensch im Klimastress – von der Betroffenheit zum Handeln“ finden Sie auch unter https://www.land-oberoesterreich.gv.at/275299.htm