Atomkraft als Ausweg aus der Klimakrise?

Pressekonferenz

Atomkraft als Ausweg aus der Klimakrise?

Wie die Atomlobby der gescheiterten Hochrisikotechnologie zur Renaissance verhelfen will

Die Folgen der Klimakrise werden immer spürbarer und sichtbarer. Und auch immer stärker wird von VertreterInnen der Atomlobby ins Spiel gebracht, dass eine Reduktion des CO2-Ausstoßes nur mit Atomkraft möglich sei. Auch der Ausbau des AKW Dukovany wird von der tschechischen Regierung als Klimaschutz-Strategie im Energiebereich bezeichnet.

„Von der Atomlobby wird immer wieder versucht, Atomkraft als Option für eine klimafreundliche Energieversorgung darzustellen. Nein! Atomkraft ist kein Klimaretter, neue Investitionen in die Atomkraft sind ein schwerer Schaden für den Klimaschutz – sie ist zu teuer, zu langsam und zu gefährlich. Atomkraft wird seit mehr als 60 Jahren massiv gefördert und ihr Beitrag zum Wachstum der Stromproduktion ist trotzdem minimal. Wir müssen diesen verzerrten Bildern vehement entgegentreten und für eine europäische Energiewende ohne Atomkraft kämpfen. Wir stellen uns daher mit aller Kraft gegen jegliche Relativierung der Atomgefahr und gegen jegliche unterstützende Stimme für diese Energiegewinnung“, so Landesrat Stefan Kaineder.

„Allein für die Baukosten eines neuen AKW-Blocks in Dukovany müssten die tschechischen Steuerzahlerinnen und -zahler rund 7 Milliarden Euro aufbringen und darin sind die enormen Strompreisgarantien für 30 Jahre nicht enthalten. Und selbst dann wird man frühestens 2035, ans Netz gehen können. Um die Klimakrise wirksam zu bekämpfen, müssen wir bei der Stromproduktion zu diesem Zeitpunkt schon 5 Jahre CO2 neutral sein. AKW fallen im Sommer aus, wenn bei Dürre das Kühlwasser der Flüsse nicht reicht. Auch im Winter kommt es in der Atomnation Frankreich immer wieder zu großflächigen Stromausfällen, bei denen für Hunderttausende das Licht ausgeht. Klar ist auch, dass die Laufzeitverlängerungen um Kapazitäten zu halten auf Kosten der Sicherheitsmargen gehen, außerdem müssen radioaktive Abfälle für 1 Million Jahre endgelagert werden. Wie das gefahrlos funktionieren soll, kann nach wie vor niemand schlüssig beantworten“, zeigt Kaineder eine weitere bedrohliche Auswirkung der Atomkraft auf.

Die Forderung zur weiteren Beforschung und für mehr Forschungsgelder für die Atomkraft ist völlig abwegig. Eine tote Technologie darf nicht gefördert werden. Neue vielversprechende Reaktorkonzepte sind eine Illusion und alter Wein in neuen Schläuchen – manche davon stammen bereits aus den 50er Jahren. Nachweise zur Machbarkeit fehlen und einige Projekte für „fortschrittliches Reaktordesign“ die hohes Investment angezogen haben, wurden in den Sand gesetzt. Laut der Energie-Expertin Eva Stegen versucht sich mit dem 2006 gegründeten Unternehmen Terrapower bereits der siebte am Prinzip des Laufwellenreaktors seit 1958 – eine Idee aus dem Jahr 1946. Auch die Konzepte der als Heilsbringer und Generation IV angepriesenen „neuen“ Thoriumreaktoren stammen alle aus der Frühzeit der Kerntechnik und wurden wegen Problemen aufgegeben.

Atomlobby will sich im Fahrwasser der Klimabewegung grünwaschen

Dass die Leadership im Kampf gegen den Klimawandel längst bei einer sehr jungen Generation liegt, ist unumstritten. Sie ist die treibende Kraft, zeigt höchste Verantwortung, lässt nicht locker, beharrt auf Umsetzung. Die Politik hat das erkannt und das ist gut so.

Perfiderweise hat aber auch die Atomlobby diese Zielgruppe bereits entdeckt und versucht – nicht unerwartet – Einfluss zu nehmen und sich als Teil der Lösung anzubieten, obwohl sie doch eher Teil des Problems ist. Zueigen macht sich die Lobby dabei, dass das Wissen um die Unzulänglichkeiten der Atomkraft genau diesen jungen Menschen oft nicht mehr in ausreichendem Maße bewusst ist.

„Wer die Geschichte der Entwicklung dieser Technologie und vor allem auch ihre negativen Konsequenzen einigermaßen miterlebt hat, ist gegen all die großen Versprechen und Verheißungen der Atomlobby gewappnet. Anders ist das bei einer Generation, die Katastrophen wie Tschernobyl oder Fukushima womöglich nur aus dem Geschichtsunterricht kennt. Jugendliche von heute sind darauf angewiesen, solch einschneidende Ereignisse in Erzählungen vermittelt zu bekommen. Auch die substanzielle gesellschaftliche Debatte der anti-atompolitischen Bewegung ist für sie bestenfalls Geschichte. Wir sind es, die dafür Sorge zu tragen haben, dass das Wissen um die Gefahren von Atomkraft, um ihren eigentlich unzulänglichen Wirkungsgrad sowie die wahren Kosten von Atomstrom auch diesen Erwachsenen von morgen bewusst wird. Mit der Ausschreibung eines Schulpreises regen wir an, Schüler_innen gezielt für eine aktive, kritische und zeitgemäße Auseinandersetzung mit dem Thema Atomkraft im Zeichen des Klimawandels zu interessieren!”, berichtet Gabriele Schweiger von atomstopp_oberoesterreich.

„Der österreichische Antiatom-Konsens resultiert nicht aus einem Spleen, vielmehr war es kluges, ambitioniertes und vor allem pionierhaftes Vorausdenken, damals vor der Zwentendorf-Abstimmung, das unserem kleinen Land die großen Probleme, die aus der Nutzung von Atomkraft entstehen, erspart hat. Diese Errungenschaft muss auch für zukünftige Generationen als solche erkennbar gemacht und verfestigt werden. Das ist dringlich, denn: Eine von atomstopp in Auftrag gegebene Umfrage hat heuer im Frühjahr u. A. ergeben, dass sich ein Drittel der jungen Männer in Österreich bereits als Atombefürworter einstuft. Alarmierend! Wir orten darin ein Informationsdefizit und sehen es als Auftrag, diesem entgegenzuwirken! Mit dem Schulpreis für alle Jugendlichen ab der 8. Schulstufe möchten wir eine kreative und vor allem kontemporäre Auseinandersetzung mit Atomkraft beflügeln“, betont Schweiger.

„Auch in Österreich versucht die Atomlobby das angeschlagene Image der Atomkraft grünzuwaschen und sich im Fahrwasser der Klimaschutzbemühungen besonders bei der „Fridays for Future“-Bewegung wieder ins Spiel bringen zu wollen. Österreich hat sich vor 42 Jahren durch einen klugen Bürger/innenentscheid gegen diese hochriskante Technologie ausgesprochen und würde dies auch mit einer klaren Mehrheit wieder tun. Wir sehen aber wie wichtig es ist, die Informationsarbeit gegenüber der Jugend zu verstärken, so Klimalandesrat Stefan Kaineder.

GLOBAL 2000: Klimakrise – warum Atomkraft nicht hilft. Zu wenig, zu teuer, zu langsam, zu viel CO2

  • Ziel: weltweite Dekarbonisierung
  • Beitrag Atomenergie zur weltweiten Energieversorgung minimal – und fallend
  • 10,35 % Stromerzeugung
  • 4,4 % Primärenergie

Abb. 1 Atomstromproduktion 1985 – 2019 weltweit

  • Ziel: möglichst kosteneffizient CO2 einsparen
  • Atomkraft teurer zu bauen (und zu betreiben) als Erneuerbare

Abb. 2 Durchschnittskosten nach Technologie

  • Ziel: möglichst schnell CO2 einsparen
  • Atomkraft erst 20+ Jahre nach Projektbeginn verfügbar
  • Zusätzlich laufend jahrzehntelange Verzögerungen der Projekte (Finnland Olkiluoto +12 Jahre, Frankreich Flamanville +10 Jahre)

Abb. 3 Durchschnittliche AKW-Bauzeit in Jahren

  • Ziel: möglichst stark CO2-Emissionen senken
  • Uran-Abbau-Kette, Bau, Betrieb AKW verursacht mehr Treibhausgas-Emissionen als Erneuerbare (Quelle: Jan Willem Storm van Leeuwen, Nuclear Power and CO2 emissions, 2015)
  • Atomkraft             88–146 g CO2/kWh
  • Windkraft             2,8–7,4 g CO2/kWh
  • Wasserkraft          17–22 g CO2/kWh
  • Solar-PV               19–59 g CO2/kWh

Dr. Reinhard Uhrig: Atomkraft ist eine gescheiterte Technologie des vergangenen Jahrhunderts, die ohne massive Subventionen durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler noch nie gebaut wurde und marktwirtschaftlich nicht wettbewerbsfähig ist, ganz zu schweigen von den ungelösten Sicherheitsproblemen und der ungelösten Frage, wo der Atommüll auf ewig gelagert werden soll.“

Aktuelle Studie zur Stromproduktion

Die Frage, ob wir Atomkraft brauchen, um den Klimawandel zu stoppen, beantwortet eine aktuelle Studie, die die Stromproduktion über 25 Jahre aus 123 Ländern untersucht. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass starke nationale Atomkraft-Fixierung nicht mit signifikant geringerem CO2-Ausstoß korreliert, während dies bei erneuerbar-orientierten Staaten der Fall ist.

  • Analysiert 25 Jahre Stromproduktion und Emissions-Daten aus 123 Ländern
  • Fazit: „We find that larger-scale national nuclear attachments do not tend to associate with significantly lower carbon emissions while renewables do.“

Klimalandesrat Stefan Kaineder Kaineder: „Nur gemeinsam haben wir eine Chance gegen die Atomlobby, die aktuell versucht, unter dem Deckmantel der Klimaschutz-Bewegung zu einer Renaissance zu finden. Dabei stellt eine erst kürzlich im renommierten Fachmagazin ‚Nature Energy‘ publizierte Studie klar fest, dass Atomkraft nicht dazu beiträgt, die CO2-Emissionen eines Staates zu senken. Wollten diese jedoch ihre Emissionen verringern, um die Ziele des Pariser Klimavertrags zu erreichen, zeigen die Ergebnisse, dass Atomkraft keine geeignete Methode dafür ist.“