10 Jahre nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima

Pressekonferenz mit Landesrat Stefan Kaineder, Landtagspräsidentin Gerda Weichsler-Hauer, Landtagsabgeordnete Ulrike Schwarz, Landtagspräsident DI Dr. Adalbert Cramer, Klubobmann Dr. Christian Dörfel, DI Dalibor Strasky (Anti-Atombeauftragter des Landes OÖ), Gabi Schweiger (atomstopp_atomkraftfrei leben!), DI Manfred Doppler (Anti Atom Komitee), Pavel Vlcek (BIU (IŽP) – Tschechien), Milan Smrz (Eurosolar – Tschechien)

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10 Jahre nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima – Oberösterreich noch immer bedroht durch unkontrollierbare Gefahr der Atomkraft – Land geeint im Kampf gegen Atomgefahren – Präsentation der Anti-Atom-Offensive

Heuer jährt sich die Reaktorkatastrophe von Fukushima (11. März) zum 10. Mal. Ganze Landstriche wurden unbewohnbar, vielen Menschen die Heimat geraubt und die Atomruinen gefährden noch für eine unabsehbare Zeit die Gesundheit der Menschen. Noch immer dauern die Arbeiten zur Beseitigung der Folgen der Katastrophe an und man sucht verzweifelt nach technischen Lösungen, wie man mit den Auswirkungen des Desasters umgehen kann.

Seit dem vergangenen Jahrzehnt nimmt die Bedeutung der Atomkraft ab und die benötigten Milliardensubventionen für AKW-Neubauprojekte belegen die Unwirtschaftlichkeit der Atomenergie klarer denn je. Dennoch kämpft die Atom-Lobby mit allen Mitteln gegen das Aus dieser Hochrisikotechnologie. Vor allem unser Nachbar Tschechien lässt sich nur schwer vom Weg der Laufzeitverlängerungen und Kraftwerksausbauten abbringen. Brandaktuell versucht die tschechische Regierung die Finanzierung eines neuen AKW-Blocks am Standort Dukovany über Milliarden schwere Staatshilfen durch das Parlament zu bringen. In Temelín wurde letztes Jahr eine unbefristete Betriebszeitverlängerung des ersten Blocks, mit einer geplanten Laufzeit bis 2060, genehmigt. Die Temelín-Blöcke wurden nach Konzepten der 70er Jahre gebaut und waren schon bei der Errichtung veraltet. Immer wieder kam und kommt es zu Störfällen. Die Ursache vieler sicherheitsrelevanter Ereignisse oder Störfälle ist auf Alterungsprozesse zurückzuführen.

Ein Super-GAU in Temelín oder einem anderen europäischen Atomkraftwerk wäre für ganz Europa, in diesem äußerst dicht besiedelten Siedlungsraum, eine immense Katastrophe. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Das zeigen auch die vielen Berichte über Störfälle und Pannen in den tschechischen Atomkraftwerken.

Tagtäglich produzieren die tschechischen Atomkraftwerke große Mengen hochradioaktiven Atommüll. Nach bisherigen Schätzungen fallen für die Laufzeit der sechs AKW-Blöcke in Tschechien rund 3.500 Tonnen radioaktives Material an – bei einer Laufzeit bis 2060 steigt die Menge an Atommüll auf knapp 10.000 Tonnen. Doch wie weltweit gibt es auch in Tschechien bislang keine Lösung in der Frage der Entsorgung. Rund eine Million Jahre müsste ein Endlager Sicherheit bieten vor der radioaktiven Strahlung. Das ist in Wirklichkeit unmöglich – ein Blick zurück in die Geschichte unseres Planeten zeigt, was in einer Million Jahre passieren kann und die Sicherheit eines Endlagers massiv in Frage stellt.

Die Oberösterreichische Landesregierung unterstützt seit vielen Jahren die Bemühungen von NGOs auf österreichischer wie tschechischer Seite im Einsatz gegen die Gefahren der Atomkraft. Auch in den kommenden Jahren stehen in Tschechien Entscheidungen in der Atompolitik bevor: vom Bieterverfahren für neue AKW-Blöcke, Erteilung der Baugenehmigung bis zur Erstellung eines neuen Konzeptes für die Endlagersuche.

Die vom Land Oberösterreich unterstützten NGOs konzentrieren sich im „Maßnahmenpaket 30“ im Rahmen der OÖ Anti-Atom-Offensive weiterhin auf Aktivitäten und Aktionen gegen den Ausbau von Temelín und Dukovany, der nach wie vor im nationalen Aktionsplan zur Entwicklung der Kernenergie in Tschechien vorgesehen ist. Dabei soll im neuen Maßnahmenpaket vor allem die Informationsarbeit in Tschechien fortgeführt und verstärkt werden. Wie schon in den Vorjahren stellt die koordinierte Abwicklung von rechtlichen Schritten einen wichtigen Schwerpunkt des Paketes dar. Außerdem soll die Zusammenarbeit der NGOs aus Tschechien, Oberösterreich und Bayern verstärkt werden, um damit alle politischen und rechtlichen Mittel gegen den tschechischen Atomausbau und grenznahe Atommüllendlager zu bündeln.

Oberösterreich setzt auch seine führende Rolle in der Allianz der Regionen für einen europaweiten Atomausstieg fort. Über Partnerorganisationen werden weitere Regionen angesprochen, um die wichtige grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu intensivieren.

„Der Kampf gegen die Atomgefahr ist ein langer und wir brauchen dazu wahrscheinlich noch etwas Ausdauer. Die milliardenschwere Atomlobby wehrt sich mit Händen und Füßen gegen ihren Niedergang. Sie wissen, dass der Weg in die Zukunft ohne Atomkraft und zu 100 Prozent erneuerbaren Energien führt. Es gibt auch gar keine Alternative dazu, wenn wir unseren Kindern und Enkelkindern einen lebenswerten und intakten Planeten hinterlassen wollen. Ich bedanke mich bei der langjährigen Arbeit und dem leidenschaftlichen Engagement unserer Anti-Atomvereine gegen diesen fatalen Irrweg, der mit der Nuklearenergie eingeschlagen wurde“, so Klimalandesrat Stefan Kaineder, der auch den parteiübergreifenden Konsens in der Anti-Atompolitik des Landes als wichtigen Baustein hervorhebt.

Statements der Vertreterinnen und Vertreter des Oö. Landtags

Dritte Landtagspräsidentin Gerda Weichsler-Hauer (SPÖ)

Sauriermasterplan EURATOM lebt im AKW-Dukovany

„Das grüne Licht für den Ausbau von Dukovany ist eine weitere fatale und völlig unnötige Erhöhung des Risikos für einen Atomunfall in Grenznähe zu Österreich, zeigt sich die Anti-Atomsprecherin der SPÖ-OÖ, 3. Präs. Gerda Weichsler-Hauer besorgt. Sie drängt auf eine rasche Änderung des EURATOM-Vertrages: „Weg vom Irrweg Ausbau – hin zum reinen Schutz vor und Ausstieg aus Atomkraft!“

Landtagsabgeordnete Ulrike Schwarz (Grüne)

„Ob Ausbau der Atomkraft, Laufzeitverlängerungen von Uralt-AKW oder grenznahe Atommülllager – unser Anti-Atom-Einsatz muss in allen Bereichen intensiv und geschlossen weitergeführt werden. Dafür brauchen wir eine gute Zusammenarbeit hier in Oberösterreich aber auch eine gezielte und effektive Unterstützung der Anti-Atom-Bewegungen in den betroffenen Ländern. Die NGOs und Anti-Atom-Bewegten vor Ort engagieren sich seit vielen Jahren. Sie kennen die jeweiligen Umstände und Gefahren ganz genau und sind für uns unverzichtbare PartnerInnen. Sowohl im Kampf gegen die einzelnen Atomprojekte als auch bei der Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung.“

Zweiter Landtagspräsident DI Dr. Adalbert Cramer (FPÖ):

Atomkatastrophen müssen verhindert werden

“Die Atomkatastrophe von Fukushima jährt sich heuer zum zehnten Mal. Es war der zweitschlimmste atomare Unfall nach Tschernobyl im Jahr 1986. Um weitere solcher Tragödien zu verhindern, fordern wir die Schließung sämtlicher Atomkraftwerke in Grenznähe zu Österreich”, betont der zweite Landtagspräsident Adalbert Cramer und zeigt sich entsetzt über die aktuelle Entwicklung, wonach die nationale Atombehörde Tschechiens den Ausbau des Atomkraftwerks Dukovany bewilligt hat. “Atomenergie ist und bleibt eine Hochrisikoenergie. Sie ist weder nachhaltig noch zukunftsträchtig. In jedem Atomkraftwerk kann es jederzeit zu einem Zwischenfall mit verheerenden Folgen kommen. Absolute Sicherheit gibt es nie. Daher ist es unsere Pflicht als politische Verantwortungsträger, die Risiken und Folgewirkungen der Atomtechnologie ernst zu nehmen. Das sind wir unseren zukünftigen Generationen schuldig.”

Klubobmann Dr. Christian Dörfel

„Der Mythos vom klimafreundlichen Atomstrom muss ein Ende haben, denn Kernenergie kann keinen Beitrag zur Erreichung der europäischen Klimaziele und der Reduktion des CO2 Ausstoßes leisten. Das nach wie vor ungelöste Problem der Endlagerung von radioaktivem Müll, das Sicherheitsrisiko osteuropäischer Atomkraftwerke, die notwendigen staatlichen Unterstützungen und die schlechte CO2-Bilanz von Kernenergie: all das spricht dafür, als Land Oberösterreich weiterhin die Spitze der Bewegung gegen Kernenergie zu bilden. Kernenergie ist teuer und unsicher und kann niemals die Antwort auf die brennende Frage des Klimawandels sein. Mit einer CO2-Bilanz von bis zu 110 g CO2 pro Kilowattstunde ist Kernenergie zehn Mal schädlicher für die Umwelt als Wasserkraft. All das bestätigt den Weg, den Oberösterreich in seiner Energiepolitik als Vorreiter in Sachen Klimaschutz geht: Der Kurs des konsequenten Ausbaus erneuerbarer Energie ist die richtige Antwort auf die klimapolitischen Herausforderungen der Zukunft.“

Statements der Vertreterinnen und Vertreter der Anti-Atom-Vereine

Gabi Schweiger – atomstopp_atomkraftfrei leben!

„Die Geschichte der Atomkraft ist durchsetzt von gründlicher Selbstüberschätzung, verfehlten Prognosen, dreisten Anmaßungen. How to Dismantle an Atomic Lie – die nuklearen Lügen zerlegen: Mit diesem Anspruch gehen wir daher die NEC21, also die diesjährige Nuclear Energy Conference am 29. April an – Covid-bedingt, als Online-Event von 13 bis 19 Uhr an. 10 Jahre Fukushima und 35 Jahre Tschernobyl bieten mahnenden Anlass, Bilanz zu ziehen und die komplexe Methodik dieser Lügengeschichte auseinander zu nehmen. Das ist besonders wichtig, denn die Methodik findet grad wieder rege Anwendung, ausgerechnet als Klimaretter preist die Atomlobby ihre Produkte an. Und gerade von den vor allem jungen Menschen, die sich so vehement gegen den Klimawandel einsetzen, sind sich längst nicht alle der Verlogenheit hinter den atomaren Versprechen bewusst. Bei der NEC21 wollen wir das Wissen befördern um die haarsträubenden Unzulänglichkeiten einer Technologie, die niemals Teil der Lösung sein kann, sondern vielmehr Teil des Problems ist.“

Manfred Doppler – Anti Atom Komitee

„Zehn Jahre nach Fukushima kann niemand sagen, wie viele Opfer die Katastrophe gefordert hat bzw. noch fordern wird, weil die Auswirkungen oft erst nach Jahrzehnten sichtbar werden“, unterstreicht Manfred Doppler vom Anti Atom Komitee. Auch zehn Jahre nach dem Supergau ist die Gegend um das Atomkraftwerk noch radioaktiv verseucht, ist die Gegend Sperrgebiet. Millionen Liter von verseuchtem Kühlwasser lagern in Tanks, die teilweise undicht sind und radioaktives Wasser ins Grundwasser gelangt. „Während in Österreich die durchschnittliche natürliche Strahlenbelastung unter 3mSv/Jahr beträgt, gibt die japanische Regierung Bereiche mit der mehr als 7-fachen Strahlendosis für die Bewohner frei“, so Manfred Doppler weiter und er betont abschließend: „Auch zehn Jahre nach dem Supergau dauert die Katastrophe von Fukushima noch immer an und darf nicht vergessen werden, denn auch in Europa kann ein Supergau jederzeit passieren. Wir haben daher eine Plakataktion in den Gemeinden gestartet und auch die Unterschriftenaktion gegen den Atomausbau und ein grenznahes Atommülllager in Tschechien bis in den Herbst verlängert!“

Pavel Vlcek – BIU (IŽP) – Tschechien

“Wir sind dankbar für die finanzielle Unterstützung der oberösterreichischen Landesregierung, die uns ermöglicht, langfristig Antiatom-Tätigkeit in Tschechien zu leisten. Die Fortsetzung der Tätigkeit halten wir mit Blick auf die Bemühungen der tschechischen Regierung, die Kernkraft auszubauen, für sehr wichtig“, sagen Pavel Vlček und Gabriela Reitingerová vom Verein BIU (IŽP) aus Budweis.

Milan Smrz – Eurosolar – Tschechien

Aktuell werden in unserem Land die Pandemie-Beschränkungen allgemein missbraucht. Auch mit dem Ziel, die Atomkraft als Hauptlösung durchzusetzen.

Wir haben mehrmals in Parlament und Senat gefordert, dass Tschechien parallel zu seinen Atom-Plänen auch einen erneuerbaren Plan ausarbeiten soll.

In Tschechien wiederholen aber sogenannte „Energie-Experten“ windmühlenartig, es gäbe keine guten Bedingungen für Windkraft oder Sonnenstrom, um den Atomausbau voranzutreiben.