Oberösterreichischer Umweltkongress 2022

Pressekonferenz mit Stefan Kaineder Umwelt- und Klima-Landesrat, DIin Lisa Frenkenberger (Vizebürgermeisterin Marktgemeinde Thalgau), Peter Laufmann (Wissenschaftsjournalist und Buchautor), Prof. Dr. Michael Schloter (Leiter der Abteilung Vergleichende Mikrobiomananalysen am Helmholtz Zentrum der Technischen Universität München)

zum Thema

Oberösterreichischer Umweltkongress 2022: Erd-reich oder Boden-los? Tiefgehende Einsichten zum Bodenschutz

Dem Boden kann man äußerst viel abgewinnen. Wir haben das aber in den letzten Jahrzehnten bereits zu intensiv getan und dieses Geschenk zu unseren Füßen auch zu sehr mit Füßen getreten. Denn der Boden ist einer der artenreichsten Lebensräume unseres Planeten. Neben Würmern, Milben und Insektenlarven leben in diesem unscheinbaren Kosmos auch Myriaden von Mikroorganismen, die Einfluss auf die oberirdische Artenvielfalt, unser Klima und unsere menschliche Gesundheit haben. Die Menschheit muss daher verantwortungsvoll damit umgehen und eine neue Form der „Bodenhaftung“ – auch im Sinne kommender Generationen übernehmen. Forschung und unser aktives Handeln sind notwendiger denn je.

  • Wie können wir den Boden nachhaltig schützen, um Lebensraum-qualität für unsere Gemeinden und Städte zu erhalten?
  • Ist ein Leben ohne Mikroorganismen überhaupt möglich? Welche Bedeutung haben Mikrobiome für die Umwelt und für unsere Gesundheit?
  • Wie kann der Boden als Klimaanlage ein wesentlicher Faktor für unsere Zukunft sein? • Welche Entwicklungen und Technologien sind geeignet, um uns beim Erhalt der Böden zu unterstützen?

Gemeinsam mit international renommierten Expertinnen und Experten werden beim Oö. Umweltkongress 2022 Lösungen entlang der Themen „Boden_LEBENS:RAUM“, „Boden_KLIMA:WANDEL“, „Boden_DIGITAL“ aufgezeigt und diskutiert.

Auch in Oberösterreich bleibt der Verlust unserer wertvollen Böden auf einem dramatisch hohem Niveau. Immer mehr Ackerflächen werden zu Bauland, doch unsere Grünflächen sind extrem wertvoll und lebenswichtig. Von den täglich verbauten Bodenflächen wird knapp die Hälfte versiegelt – in Oberösterreich liegen wir aktuell bereits bei über 300 Quadratmetern versiegelter Fläche pro Einwohner. Der Flächenfraß in Österreich wächst schneller als die Bevölkerung. Während die Bevölkerung in 20 Jahren um 10,4 Prozent zunahm, stieg die Flächeninanspruchnahme um 27 Prozent. Mit dem Raubbau an unseren besten Böden gefährden wir unsere Ernährungssicherheit, denn bereits jede dritte in Österreich konsumierte Kalorie ist importiert. Mit 11,5 ha täglich, verbraucht Österreich pro Kopf doppelt so viel Boden wie Deutschland.

Durch diesen verschwenderischen Umgang mit der begrenzten Ressource Boden wird zukünftigen Generationen täglich ein Stück wichtiger Lebensgrundlage entzogen. „Jeden Tag werden in Oberösterreich riesige Flächen verbetoniert. Mein Ziel ist es, in Oberösterreich sprichwörtlich Boden gut zu machen. Wir müssen einerseits den grassierenden Flächenfraß stoppen und andererseits unsere Böden gesund halten. Denn wir und auch unsere Kinder brauchen gute Böden für regionale Nahrungsmittel, als dezentraler Wasserrückhalt zur Hochwasservorsorge oder auch als Filter für sauberes Trinkwasser. Der Aspekt des Bodenschutzes muss daher einen viel größeren Stellenwert bekommen. Es freut mich sehr, dass der diesjährige Umweltkongress ganz im Zeichen des Bodens steht. Mit international renommierten Expert/-innen und Best Practice Beispielen setzen wir uns intensiv und vielschichtig mit dem Thema Boden auseinander und wie wir ihn schützen können“, so Umwelt- und Klimalandesrat Stefan Kaineder.

Programm des Oö. Umweltkongress 2022

Das Programm des Oö. Umweltkongress 2022 gibt dem Boden eine Bühne. Am Vormittag haben Expert/-innen die Ressource Boden aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Den ersten Vortragsslot bestritt der deutsche Wissenschaftsjournalist und Autor Peter Laufmann. Er sprach in seinem Impulsvortrag über den Boden als Universum unter unseren Füßen. Dieses Universum beschreibt Peter Laufmann auch in seinem Buch als fruchtbaren Hauch auf unserer Erdkugel. Als ein Zusammenspiel von Mineralien, Wasser, Luft und Organismen, die im Leben einhauchen und es ihm ermöglichen Leben zu spenden. Und er zeigte anschaulich, wie wir alle vom Boden abhängen, wie verletzlich er ist und wie sich die Menschheit einen Wettlauf um diesen wichtigen Boden-Schatz liefert – vor allem aber auch was wir für seine Erhaltung tun können. Boden hat für viele Menschen keine Bedeutung. Allenfalls ist es der Dreck, den man mit Füßen treten kann. Die erreicht man schwer, wenn man sie mit dem erhobenen Zeigefinger auf Klimaschutz, Ernährungssicherung etc. hinweist. Es gilt, das Faszinierende am Boden zu nutzen, um viele Menschen zu begeistern und ihnen so klarzumachen: Boden ist das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft aufgebaut ist“, erklärt Laufmann.

Im nächsten Impulsvortrag beschäftigte sich der Leiter der Abteilung Vergleichende Mikrobiomanalysen am Helmholtz Zentrum der Technischen Universität München, Prof. Dr. Michael Schloter, mit der Frage „Umweltmikrobiota als Treiber für unsere Gesundheit“. Seine Forschung fokussiert auf der Detektion von Mikroorganismen aus der Umwelt und deren Interaktion mit dem humanen Mikrobiom. Das Bodenmikrobiom spielt hierbei eine besondere Rolle, da es nicht nur für Ökosystemdienstleistungen verantwortlich ist ohne die ein Leben auf der Erde unmöglich wäre, sondern auch direkt über Bioaerosole mit dem Mikrobiom der Atemwege und der Haut interagiert. Der renommierte Wissenschaftler dazu: “Der Erhalt natürlicher Ressourcen wie Böden und Wasser ist ein wichtiger Baustein zum Schutz unserer Gesundheit in Zeiten des globalen Wandels“.

Im dritten und letzten Impulsvortrag referierte Univ.-Prof. Dipl. Forstw. Dr. Mathias Schardt, Leiter der Forschungsgruppe Fernerkundung und Geoinformation am Grazer Joanneum Research sowie Leiter des Instituts für Geodäsie an der Technischen Universität Graz, über die Perspektive aus dem Weltall auf unsere Böden. Unter dem Titel „Unendliche Weiten – der Boden aus dem All“ gibt Schardt Einblicke in unbekanntere Aspekte der Boden-Thematik.

Der Vormittag wurde durch einen Boden-Dialog abgerundet, bei dem DIin Lisa Frenkenberger, Vizebürgermeisterin der Marktgemeinde Thalgau, DIin Andrea Heistinger, Peter Laufmann und Martin Strele, Obmann des Vereins Bodenfreiheit, mit Umwelt- und Klimalandesrat Stefan Kainederüber Boden diskutierten. Der Boden Dialog wurde von der Sendungsmacherin Sarah Praschak (Radio FRO) moderiert.

DI Lisa Frenkenberger, Vizebürgermeisterin der Marktgemeinde Thalgau vertrat dabei die kommunale Ebene. Als Klimaschutzbeauftragte und aufgrund ihrer Ausbildung im Fachbereich „Umwelt- und Ressourcenmanagement” mit Schwerpunkt auf „regionale Entwicklung“ konnte Frau Frenkenberger wertvolle Aspekte für die Umsetzung von Bodenschutzagenden einbringen. Als Gewinnerin des LandLuft Baukulturgemeinde-Preises 2021 hat die Marktgemeinde Thalgau mit vielen engagierten Bürger/innen zukunftsweisende Lösungen im öffentlichen Raum geschaffen. Dort wo früher täglich rund 8.000 Fahrzeuge durch den Ortskern brausten, entstand ein fehlender Dorfplatz mit Aufenthaltsqualität. Projekte werden in Thalgau bodensparend und mit hoher Nutzungsflexibilität umgesetzt – so auch die multifunktionale Volksschule. “Wir setzen beim Bodenschutz auf multifunktionale Räume! Bei unseren kommunalen Bauten (von der Volksschule, dem Gemeindeamt bis hin zur Feuerwehr) setzen wir auf die multifunktionale Nutzung und einem Miteinander zwischen Gemeinde, Vereinen und Bürger:innen – statt leerer Gebäudehüllen“, so Vizebürgermeisterin DIin Lisa Frenkenberger.

Nach der Auszeichnung von fünf neuen Bodenbündnisgemeinden: Bad Goisern, Feldkirchen an der Donau, Neukirchen an der Enknach, Rohr im Kremstal und Schwertberg und einer Mittagspause geht es für die Teilnehmer/-innen des Umweltkongress in den Werkstätten weiter. Die Themen Boden_Lebens:raum, Boden_Klima:wandel und Boden-Digital, sowie die Ausstellung „Boden für Alle“ werden den Teilnehmer/-innen von versierten Expert/-innen und Vortragenden praxisnahe nähergebracht.