Initiative Lieferkettengesetz

Pressekonferenz mit Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder und Veronika Bohrn Mena (Gemeinwohlstiftung COMÚN)

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Initiative Lieferkettengesetz – LKW-Transporte nehmen zu und sind steigende Belastung für Mensch und Klima – Aktuelle Analyse von COMÚN zeigt stärkste Betroffenheit für Oberösterreich und zeichnet Geflecht der LKW-Kolonnen nach

Mit dem Lieferkettenatlas macht die Stiftung COMÚN die Herkunft und Entstehungsgeschichte von Rohstoffen und Produkten transparent. Das neue Kapitel des Atlas widmet sich dem Transport von Gütern über die Kolonnen „rollender Lagerhallen“ und stellt dabei fest, dass Oberösterreich am stärksten vom LKW-Verkehr betroffen ist.

Knapp 80 Prozent aller Güter in Europa werden per LKW transportiert. Daten der Asfinag zeigen zudem, dass im Jahr 2022 in Österreich mehr LKW unterwegs waren als vor der Covid-19 Pandemie. Und schon vor der Pandemie im Jahr 2019 hat der LKW-Verkehr auf Österreichs Autobahnen im Vergleich zum Jahr 2014 etwa doppelt so stark zugenommen wie das Wirtschaftswachstum. Auf der Autobahn A1 bei Haid in Oberösterreich ist zwischen Montag und Freitag bereits jedes sechste Fahrzeug ein schwerer Lastkraftwagen.

„Es sind alarmierende Daten, die uns COMÚN heute präsentiert. Denn der zunehmende LKW-Verkehr treibt nicht nur den Ausstoß der klimaschädlichen CO2-Emissionen weiter in die Höhe, es nimmt damit auch die Feinstaubbelastung durch Reifenabrieb und die Belastung an Stickoxiden in unserer Luft zu“, warnt Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder. „Gerade bei unserer Luft-Messstation auf der A1 bei Enns-Kristein werden auch die meisten LKW-Fahrten Österreichs auf einem Autobahnabschnitt gemessen. Politisches Ziel muss daher sein, den LKW-Verkehr zu senken und die Güter auf die Schiene zu bringen“, stellt Kaineder klar.

Seit 1990 sind die Emissionen aus dem LKW-Verkehr bis 7,5 Tonnen Gesamtgewicht in Österreich um knapp 130 Prozent angestiegen, jene aus dem LKW-Verkehr bis 40 Tonnen um 64 Prozent. „Gerade im Sektor Verkehr hinken wir nicht nur einer Reduktion von Treibhausgasen nach, wir verzeichnen in Oberösterreich eine Zunahme um 65 Prozent – während in allen anderen Sektoren Reduktionen von 15 bis 60 Prozent erreicht werden konnten“, verweist Kaineder auf die aktuellsten verfügbaren Daten aus der Bundesländerschadstoffinventur.

Lieferkettenatlas bietet Überblick über Schattenseiten des Transportgewerbes

Fast 80 Prozent des gesamten Gütertransports in der EU, d.h. 14 Milliarden Tonnen an Gütern, werden von LKW auf Straßen befördert – dabei verursachen sie Unmengen an Schadstoffen. So sind rund 37 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen in Österreich unmittelbar auf den Transport zurückzuführen. Tendenz stark steigend, denn das Aufkommen wird laufend größer und hat inzwischen die Vor-Corona-Werte bei weitem überholt. Besonders stark davon betroffen ist Oberösterreich, nirgendwo sonst rollen bei uns so viele Transporte über die Straßen.

Quelle: VCÖ; ASFINAG 2022

Auf der A1-Westautobahn bei Traun etwa wurden in zwei Jahren über 5 Millionen LKW gezählt, damit ist dies der absolute Hotspot in Österreich, noch vor dem Brenner. Auch auf der A8-Innkreisautobahn und der A25-Welser Autobahn bahnen sich Millionen LKW pro Jahr ihren Weg. Grund dafür ist Logistik, die auf die Minimierung von Lagerkosten von Waren und auf eine kontinuierliche und schnelle Auslieferung setzt. Der Boom hat viele negative Folgen, für das Klima und die Umwelt, aber natürlich auch für die Menschen. Schon jetzt verfügt Österreich über das dichteste Straßennetz in ganz Europa, erkauft mit massiver Bodenversiegelung. Im Schnitt der letzten drei Jahren, gingen in Österreich 5,8 Hektar Boden durch dauerhafte Versiegelung verloren, bis zu 2,4 Hektar täglich entfielen dabei auf den Bau von neuen Straßen.

Lastwägen: Nur 1,6 Prozent sind in Österreich registriert

Die meisten Transporte in und durch Österreich stammen aus Deutschland, Italien und Tschechien, viele sind reine Transite. Deutschlandmit einem Warengewicht von knapp 27 Millionen Tonnen der mit Abstand wichtigste Absender für empfangene Güter in Österreich.

Die LKW selbst, beziehungsweise die Transportunternehmen die sie losschicken, haben ihren Sitz allerdings meist in Osteuropa, obwohl wir von dort kaum Waren erhalten. Von unserem südlichen Nachbarn Italien erhalten wir rund sieben Millionen Tonnen, aus Ungarn und Tschechien etwa sechs Millionen Tonnen.

Den mit 210 Millionen Tonnen gewichtsmäßig größten Anteil am Ladegut der LKWs machen Steine, Erde und anderen Bergbau- und Mineralerzeugnisse aus, doch auch Nahrungsmittel- und Genussmittel mit rund 38 Millionen Tonnen, Abfälle und die Pakete des Online-Shopping spielen eine große Rolle. 97 Prozent der LKW-Fahrer sind Männer, im Schnitt sind sie 47 Jahre alt und stammen aus Osteuropa, zuletzt aber auch immer öfter aus EU-Drittstaaten.

Quelle: STATISTIK AUSTRIA

Die Fahrer sind widrigsten Bedingungen ausgesetzt, denn die Bezahlung ist miserabel, der Stress enorm und sie sind oft über Monate unterwegs und von ihren Familien getrennt. Viele werden um den Mindestlohn gebracht und erhalten nur rund 400 Euro Lohn pro Monat und werden nicht krankenversichert. Nur 1,6 Prozent der Lastwägen sind in Österreich registriert, heimische Unternehmen haben gezielt Niederlassungen im Ausland gegründet oder stützen sich auf ausländische Speditionen. Damit wird österreichisches Recht auf dem Rücken der Fahrer unterwandert.

Ausbeutung in Lieferketten der Konzerne aus Industrie & Handel

Dazu Veronika Bohrn Mena, Vorsitzende der Stiftung COMÚN: „Die LKW-Transporte sind ein schmutziges Geschäft. Sie schaden unserer Gesellschaft in vielfacher Hinsicht, denn sie basieren auf der Ausbeutung von Menschen, der Zerstörung unserer Umwelt und der Schädigung des Klimas. Während immer mehr Waren mit Lastwägen durch Europa und Österreich gekarrt werden, finden sich immer weniger europäische Fahrer, die sich den furchtbaren Arbeitsbedingungen auf den Straßen aussetzen wollen. Auch fehlende Parkplätze, die Ruhepausen unmöglich machen, nicht vorhandene Waschmöglichkeiten und Strafzahlungen für verspätete Lieferungen, erzeugen massiven Stress.

Kein Wunder, dass Lastwagenfahrer, die mehrheitlich aus Georgien, Usbekistan und anderen EU-Drittstaaten stammen, gerade seit Wochen streiken. Die prekäre Lage der LKW-Fahrer hat System. Sie transportieren Güter im Auftrag großer EU-Logistikunternehmen und werden um den Mindestlohn betrogen. Diese Männer aus dem Ausland werden gezielt ausgebeutet, um die Lieferketten für unsere Produkte zu erhalten. Die Erkenntnisse aus dem Lieferkettenatlas müssen die Politik auf nationaler wie europäischer Ebene anregen sich für Änderungen einzusetzen. Wir brauchen eine massive Verlagerung der Transporte auf die Schiene und menschenwürdige Arbeitsbedingungen.“

Güter von der Straße auf die Schiene, Fahrer:innen-Mangel & regionale Produktion

Der Güterverkehr verursacht in Österreich in Summe rund 1,7 Milliarden Euro pro Jahr an externen Kosten. Pro 1.000 Tonnenkilometer verursachen 40-Tonnen-LKW rund 20 Mal so viele Treibhausgase wie die Bahnen in Österreich. Durch den Güterverkehr auf Schienen wurden im Jahr 2020 5,6 Millionen LKW-Fahrten in Österreich vermieden. Für das Jahr 2021 konnte eine Steigerung des Schienengüterverkehrs von 4,8 Prozent auf 102 Millionen Tonnen verzeichnet werden. Der Schienengüterverkehr verursacht gemessen an der Transportleistung weniger als ein Drittel der externen Kosten von LKW.

Rund 400.000 Lkw-Fahrer:innen werden in Europa gesucht. In Großbritannien bleiben auf Grund des Fahrermangels sogar die Supermarktregale leer. Bis 2026 wird ein Mangel an zwei Millionen Fahrer:innen prognostiziert. Keine Lieferkette kommt ohne Transport aus. So haben Konsumentscheidungen auch immer eine Auswirkung darauf wie lang oder kurz, fair oder ausbeutend, umweltfreundlich- oder -schädigend Waren transportiert werden.

Das Konsument:innenschutz-Ressort unterstützt die Bewusstseinsbildung für nachhaltigen Konsum mit unterschiedlichsten Initiativen. Umwelt- und klimagerechte Lebensmittel stammen aus der Region, wechseln je nach Saison und werden biologisch sowie fair produziert. Und nach Möglichkeit im eigenen Garten: das wird im Projekt KlimaAcker bereits den Jüngsten auf spielerische Weise nähergebracht. Lebensmittelinitiativen wie FoodCoops und Solidarische Landwirtschaften (SoLaWis) stehen für Regionalität, Transparenz und kurze Transportwege. Die WeFair hat sich in Oberösterreich von einem engagierten Experiment hin zur wichtigsten Messe Österreichs für nachhaltigen Lebensstil entwickelt – am Wochenende feierte die WeFair Premiere in Wien. Mit der Einführung der Herkunftskennzeichnung in Kantinen ab Herbst ist der erste Schritt in Richtung Nachverfolgbarkeit beim Essen am Teller gesetzt. Ziel ist eine Lösung für die gesamte Gastronomie. Das stärkt die Konsument:innen, die bewusst zum regionalen Lebensmittel greifen können und sollte damit auch Auswirkung auf Transporte haben.

Die Initiative Lieferkettengesetz für verantwortungsvolles Wirtschaften

Die Bürger:innen-Initiative Lieferkettengesetz Österreich setzt sich dafür ein, dass Konzerne bei Menschenrechtsverstößen und Umweltzerstörung haften müssen. Außerdem will die Initiative mit dem „Lieferkettenatlas“ aufzeigen, wo ausbeuterische und umweltzerstörerische Lieferketten von multinational agierenden Konzernen vorliegen.

Alle Zahlen & Daten finden sich im neuen Kapitel „Transport“ des Lieferkettenatlas, das von der Stiftung COMÚN erarbeitet wurde. Abrufen kann man es unter https://lieferkettenatlas.com/lkw/