Gemeinsamer Kampf gegen Atomgefahr

Pressekonferenz mit Landesrat Stefan Kaineder, Gabriele Schweiger (Verein atomstopp – stomkraftfrei leben), DI Dalibor Strasky (Anti-Atom-Beauftragter des Landes OÖ), und Edvard Sequens (Vorsitzender der tschechischen Umweltorganisation Calla)

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Gemeinsamer Kampf gegen Atomgefahr – Präsentation des Maßnahmenpaketes der oö. Anti-Atom-Offensive 2022

Mit dem aktuellen kriegerischen Überfall Russlands auf die Ukraine wird nicht nur vor Augen geführt, wie fragil das Friedensfundament in Europa doch ist, es zeigt auch, welche gefährlichen Auswirkungen die Lage in der Ukraine auf die dort in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke und auch auf das havarierte Kraftwerk in Tschernobyl haben kann. Mittlerweile haben die russischen Streitkräfte die Kontrolle über Tschernobyl. Das Betriebspersonal steht unter Kontrolle der russischen Besatzer und übt seine Aufgaben unter „Aufsicht“ auf.

Vorige Woche wurde auch ein Brand aus Europas größtem AKW Saporischschja nach einem Beschuss durch die russische Armee gemeldet. Der Brand konnte gelöscht werden und hat einen nicht-kritischen Teil des Kraftwerkes betroffen. Auch Europas größtes Atomkraftwerk ist bereits unter der Kontrolle russischer Truppen. Die Internationale Atomenergiebehörde spricht von einer ernsten Situation. „Nicht nur eine Eskalation der Lage mit direktem Angriff auf ein Atomkraftwerk, sondern schon ein Ausfall des Stromnetzes könnte zu einer kritischen Situation in einer Anlage führen. Auch kann ein AKW nicht einfach evakuiert werden, es muss immer eine Betriebsmannschaft mit ausreichender Kenntnis vor Ort sein, um die Anlage zu steuern“, bringt Landesrat Kaineder die aktuelle Gefahr auf den Punkt.  

Derzeit besteht keine akute Bedrohung für die OberösterreicherInnen. Die ukrainischen Atomkraftwerke befinden sich in einer Entfernung zwischen 700 und 1300 Kilometern. Erst bei schweren Unfällen wie einem Störfall mit Kernschmelzen im Reaktorkern könnten sehr große Freisetzungen mit einer anschließenden direkten Verfrachtung radioaktiver Luftmassen nach Österreich von Relevanz sein. „Nachdem es vermehrt Berichte über den Kauf von Kaliumjodidtabletten gibt, möchte ich daher auch die Gelegenheit nutzen und davor warnen, diese ohne vorherige Anordnung der Gesundheitsbehörden einzunehmen! Für Personen über 40 Jahren, für die eine Einnahme nicht vorgesehen ist, besteht das Risiko von schweren Nebenwirkungen“, so Landesrat Stefan Kaineder.

Neben den aktuellen Ereignissen in der Ukraine sind für die Anti-Atom-Offensive in Oberösterreich die Ausbaupläne beim direkten Nachbarn Tschechien ganz oben auf der Agenda: Letzte Woche entschied die Tschechische Regierung über die Ausschreibung zum Bau neuer AKW-Blöcke, Industrieminister Sikela wurde mit der Einleitung des Bieterverfahrens beauftragt. Bekannt wurde auch, dass in der Ausschreibung nicht nur ein neuer Block mit einer Leistung bis zu 1.200 MW am Standort Dukovany enthalten sein soll, sondern auch eine Option für drei weitere Blöcke – zwei davon sind für den Standort Temelín vorgesehen. Das größte Ausschreibungsverfahren in der Geschichte Tschechiens soll bis Ende 2024 fertig sein. Mit der Herausgabe der Baubewilligung rechnet man im Jahr 2029. Ursprünglich sollte die Ausschreibung schon Ende 2020 beginnen wurde aber aufgrund politischer Auseinandersetzungen über den schließlich erfolgten Ausschluss chinesischer und russischer Unternehmen vom Verfahren verschoben. Neben dem amerikanisch-kanadischen Konsortium Westinghouse und einem potentiellen Bieter aus Südkorea wird sich auch die französische EDF beteiligen. Doch die Probleme des Vorzeige-Reaktors im französischen Flamanville, der mit einer Bauverzögerung von über 10 Jahren und einer Preissteigerung von 3,3 Milliarden auf 19 Milliarden Euro errichtet wird, sind alles andere als gelöst.

Seit dem vergangenen Jahrzehnt nimmt die Bedeutung der Atomkraft ab und die benötigten Milliardensubventionen für AKW-Neubauprojekte belegen die Unwirtschaftlichkeit der Atomenergie klarer denn je. Dennoch kämpft die Atom-Lobby mit allen Mitteln gegen das Aus dieser Hochrisikotechnologie, auch unter dem Deckmantel des Klimaschutzes. „Ein Super-GAU in Temelín oder einem anderen europäischen Atomkraftwerk wäre für ganz Europa, in diesem äußerst dicht besiedelten Siedlungsraum, eine immense Katastrophe. Das Projekt für neue Blöcke in Temelín wurde bereits einmal gestoppt und dafür müssen wir erneut alle unsere Kräfte einsetzen. Unter wirtschaftlichen Bedingungen kann der Bau neuer Reaktoren nie verwirklicht werden, die Baukosten sind explodiert und die erneuerbaren Energien konkurrenzlos im Vormarsch. So sehr die Atomlobby die vermeintlich klimafreundliche Energiequelle anpreist, so zeigt sich das wahre Gesicht dieser menschenverachtenden Technologie in der Bedrohungslage dieser Tage umso eindrücklicher. Einmal mehr bedanke ich mich bei den Antiatom-Vereinen für ihren unermüdlichen und leidenschaftlichen Einsatz. Sicherheit, Unabhängigkeit und Klimaschutz können nur mit erneuerbaren Energien erreicht werden“, so Klimalandesrat Stefan Kaineder.

Maßnahmenpaket 31 der OÖ. Anti-Atom-Offensive

Die Oberösterreichische Landesregierung unterstützt seit vielen Jahren die Bemühungen von NGOs auf oberösterreichischer wie tschechischer Seite im Einsatz gegen die Gefahren der Atomkraft. Dies mündet in einen Beschluss der Landesregierung für ein neues Anti-Atom-Maßnahmenpaket, das am Montag von LR Kaineder in der Regierung eingebracht wird und die Förderung der Aktivitäten der Antiatom-Vereine ermöglicht. Im Zentrum steht die gemeinsame Arbeit für einen schrittweisen, europaweiten Atomausstieg.

„Auch im Jahr 2022 stehen in der Atompolitik Tschechiens aus Sicht Oberösterreichs wichtige Entscheidungen bevor, etwa bei dem nun startenden Bieterverfahren für neue AKW-Blöcke. Auch das Konzept zur Behandlung der radioaktiven Abfälle muss aktualisiert werden. Angesichts der dringenden Entscheidungen für den Klimaschutz ist es notwendig, die Unzulänglichkeiten der Atomkraft als Klimaretter klar und deutlich aufzuzeigen und zu kommunizieren“, so der Anti-Atom-Beauftragte DI Dalibor Strasky.

Die Vereine werden sich im Rahmen des Maßnahmenpaketes 31 weiterhin auf Aktivitäten gegen den Ausbau von Temelin und Dukovany konzentrieren, der im nationalen Aktionsplan zur Entwicklung der Kernenergie in Tschechien vorgesehen ist. Die Informationsarbeit in Tschechien soll verstärkt fortgeführt werden. Wie bereits in den Vorjahren stellt die koordinierte Abwicklung von rechtlichen Schritten einen wichtigen Schwerpunkt des aktuellen Maßnahmenpaketes dar.

Bei der NGO-Arbeit auf EU-Ebene stehen weiterhin die Bewusstseinsbildung und die verstärkte Vernetzung neben den Bestrebungen zum europaweiten Atomausstieg im Vordergrund. Ebenso konzentriert sich die Tätigkeit der NGOs auf eine Reform des Euratom-Vertrags, ein Verbot von Subventionen für Atomkraft und auf die Thematik der Haftpflicht für Atomkraftwerke in Europa.

Die Nuclear Energy Conference wird am 18. Mai 2022 als Videokonferenz stattfinden, wo ausgewählte Expert/innen aus mehreren europäischen Staaten zusammen treffen, um über die Rolle der Kernenergie „Atomkraft – ökonomische Mythen und Fakten“ zu diskutieren.

Statements der Vertreterinnen und Vertreter der Anti-Atom-Vereine

Edvard Sequens, energy consultant at Calla – Association for Preservation of the Environment
“The solution to our energy security and problem of climate change isn´t to replace the burning of coal and Russian gas with the fission of uranium in new nuclear reactors. The tender for a new reactor at Dukovany, launched by the Czech government, will prove far more expensive than politicians and investors claim. In the Czech Republic, too, we have cheaper and, above all, safer options to provide for our future energy needs without damaging the environment.”

Gabi Schweiger – atomstopp_atomkraftfrei leben!
Auf schockierende Weise wird uns aktuell vor Augen geführt, wovor wir Atomgegner/innen stets warnen: Im Kriegsfall können Atomanlagen zu überdimensionalen, fatalen Tretminen werden, sind Spielball der Macht. Und die russischen Invasoren haben in der Ukraine keinerlei Skrupel, ganz bewusst auf dieses perfide Machtspiel des Schreckens zu setzen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse im Osten unseres Kontinents erscheint es umso verstörender, dass mit der Taxonomie-Verordnung auch Investitionen in Atomkraft als nachhaltiges Wirtschaften in den Green Deal der Europäischen Union Eingang finden sollen. Dies zu verhindern, ist derzeit die wohl gewichtigste Schwerpunktarbeit für uns.

Weitere wesentliche Angelpunkte für atomstopp im Jahr 2022 sind der Ausbau der Vernetzung mit der Fridays for Future-Bewegung, die erneute Ausschreibung eines Schulpreises zum Thema ‚Atomkraft – Eine zeitgemäße Auseinandersetzung im Zeichen des Klimawandels‘ und natürlich die mittlerweile viersprachig ausgearbeitete Petition ‚In Zukunft ohne EURATOM‘. Auch die Forderung (Petitionsverfahren anhängig) nach einer angemessenen Haftpflichtversicherung für AKW-Betreiber gewinnt angesichts der komplexen aktuellen Entwicklungen wieder an Brisanz und Dynamik.

Das Maßnahmenpaket 31 der Anti-Atom-Offensive des Landes Oberösterreich ermöglicht es uns teilnehmenden Vereinen, sich einerseits auf diverse Schwerpunkte zu konzentrieren und stellt andererseits eine solide Plattform dar, sich austauschen und kooperativ tätig sein zu können.

Statements der Vertreterinnen und Vertreter des Oö. Landtags

LAbg. Klaus Mühlbacher, OÖVP-Atomsprecher
„Die Lage um das AKW Saporischschja hält uns einmal mehr vor Augen, wie unsicher Atomkraft ist und welche Gefahr von ihr ausgeht. Ganz Europa blickt gebannt und schockiert in die Ukraine. Diese Angst vor einem neuerlichen, vielleicht sogar bewusst herbeigeführten Reaktorunfall muss auch jenen Staaten die Augen öffnen, die nach wie vor an der Atomkraft festhalten. Atomstrom ist niemals sauber und auch niemals sicher, wir werden weiterhin mit lauter Stimme für den Ausbau wirklich erneuerbarer Energien kämpfen!“

LAbg. David Schießl, FPOÖ
„Atomkraftwerke sind niemals sicher. Daher darf in einem fortschrittlichen Europa kein Platz für diese gefährliche Energieform sein. Bereits im Jahr 1978 hat sich die österreichische Bevölkerung in einer bundesweiten Volksabstimmung gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie ausgesprochen. Viele tragische Unfälle und Störfälle auf der ganzen Welt haben gezeigt, dass es sich hierbei um eine Hochrisikoenergie handelt. Atomkraftwerke sind auch nicht gegen militärische Angriffe gerüstet. Auch die geplanten Laufzeitverlängerungen von alten AKWs würden zu einem hochriskanten Unterfangen führen und schließlich und endlich mit einem Super-GAU enden.

Kernkraft ist weder grün, noch nachhaltig, noch zukunftsträchtig. Sie ist teuer und verursacht hochradioaktiven Abfall, für dessen Lagerung es weltweit keine langfristigen, sicheren Lösungen gibt. In jedem Atomkraftwerk kann es jederzeit zu schweren Unfällen mit weitreichenden Folgen kommen. Die FPÖ vertritt sein Jahrzenten eine klar ablehnende Haltung zur Atomenergie. Daher ist es unsere Pflicht als politische Verantwortungsträger, die Risiken und Folgewirkungen der Atomtechnologie ernst zu nehmen. Das sind wir unseren Kindern und Kindeskindern schuldig.“

LAbg. Thomas Antlinger, SPOÖ-Energiesprecher
„Es macht mich unbeschreiblich tief traurig, wenn ich sehe, welches Leid Krieg verursacht und dann auch noch die Gefahr von Atomkraftwerken in Kriegsgebieten dazu kommt. Anti-Atompolitik ist wichtiger denn je. Liebe OberösterreicherInnen, setzen wir unsere Kraft weiter gemeinsam für ein atomkraftfreies Europa ein.“

LAbg. Ulrike Schwarz, Antiatomsprecherin der Grünen
„Die letzten Tage haben uns das enorme Risikopotential von AKWs drastisch vor Augen geführt. Der Anschlag auf das AKW im Ukraine-Krieg, aber auch Laufzeitverlängerungen von Uralt-AKWs mit spröden Materialen sind mit enormem Risiko verbunden. Von der ungelösten Problematik der Lagerung der Brennelemente und der Suche nach einem Endlager nahe der Grenze zu OÖ ganz zu schweigen. Es ist daher enorm wichtig, dass OÖ seine Antiatomhaltung und Arbeit engagiert weiter macht, um mit allen Mitteln der Atomlobby entgegen zu treten. So begrüßen wir das Budget für die Antiatomaktivitäen in OÖ und CZ. Die Politik muss gemeinsam mit den NGOs die ganz wichtige Aufgabe der Sensibilisierung der Bevölkerung übernehmen und auch alle rechtlichen Mittel gegen den Ausbau von Temelin und die Laufzeitverlängerungen nutzen.“

Stv. Klubobfrau der NEOS, Julia Bammer
„Gerade auch die aktuelle Situation im Osten Europas zeigt, dass Atomenergie eine Hochrisikoenergie ist und bleibt. Sie ist teuer, nicht nachhaltig und schon gar nicht generationengerecht. Zudem ist die Frage des Atommülls nach wie vor nicht gelöst. Es ist daher unsere Pflicht, die Risiken und Folgewirkungen der Atomtechnologie ernst zu nehmen. Das sieht auch der Markt so: Kein privater Versicherer der Welt würde ihr Risiko ohne massive Staatsgarantien und Staatsausgaben versichern. Wenn wir uns aber gemeinsam gegen Atomkraft in Europa aussprechen, müssen wir auch gemeinsam für mehr Kraftanstrengungen bei den erneuerbaren Alternativen auftreten. Dafür brauchen wir eine gute Zusammenarbeit in Oberösterreich aber auch eine gezielte und effektive Unterstützung der Anti-Atom-Bewegungen in den betroffenen Ländern, um alle politischen und rechtlichen Mittel gegen den tschechischen Atomausbau und grenznahe Atommüllendlager zu bündeln. Gerade Österreich hat das Zeug, zu zeigen, dass wir für die Energiewende, für eine wettbewerbsfähige Industrie, in der Zukunft keine Betonmeiler brauchen.“