Energiegewinnung aus Abwasser?

Pressekonferenz mit Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder, Mag.a Ulrike Rabmer-Koller (Geschäftsführende Gesellschafterin Rabmer Gruppe), Dipl.-Ing.in Andrea Gennari (Expertin Abteilung Wasserwirtschaft – Land OÖ) und Dipl.-Ing. Bernhard Brunn (Experte Abteilung Wasserwirtschaft – Land OÖ)

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Energiegewinnung aus Abwasser?

Neue Erhebung zeigt mögliches Energiepotenzial in Oberösterreichs Kanalisation und Kläranlagen auf!

„Die Klimakrise und die überlebensnotwendige Energiewende stellen uns als Gesellschaft vor riesige Herausforderungen. Gerade der Wärmesektor in Österreich ist leider auch immer noch von fossilen Energien abhängig. In einem alltäglichen Bereich – die Gewinnung von Energie aus Abwasserwärme – gibt es jedoch ungenutztes Potenzial, mit der wir der fossilen Abhängigkeit entgegenwirken können.Dies betrifft auch die Versorgung von Gebäuden mit thermischer Energie. Die klimafreundliche Energiegewinnung von Abwärme im Abwasserkanal oder der Kläranlage hilft uns eine Reduktion der CO2-Emissionen im Wärmesektor herbeizuführen“, so Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder, der im Umwelt und Klima-Ressort des Landes Oberösterreich eine Erhebung zum möglichen Energiepotenzial in Oberösterreichs Kanalisation und Kläranlagen in Auftrag gegeben hat, die heute erstmals präsentiert wird.

Zur Erreichung der Klimaziele ist es erforderlich, sukzessive auf erneuerbare Energieträger umzustellen. „Ich bedanke mich bei unseren Expertinnen und Experten beim Land OÖ für diese erste beeindruckende Abschätzung. Es zeigt auf, wie ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer umweltverträglichen und optimierten Energienutzung möglich sein kann“, verweist Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder auf die Erhebung, die im Ergebnis auf ein Potenzial zur Versorgung mit thermischer Energie von 55.000 oberösterreichischen Haushalten kommt.

Der Weg zum „Abwasserwärmepotentialkataster“

Zur Erhebung des theoretischen Energiepotentials aus kommunalen Abwasserbeseitigungsanlagen (Kanäle und Kläranlagen) wurden von einem Team der Abteilung Wasserwirtschaft, Gruppe Trinkwasser und Abwasser, Berechnungen und Auswertungen durchführt. Eine wesentliche Grundlage stellten die von der Universität für Bodenkultur zur Verfügung gestellte Daten dar (Institut für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz, DI Dr. Florian Kretschmer).

Strategische, technische und rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen

Strategisch wurde klar festgestellt, dass die energetische Nutzung des thermischen Potentials von Abwasser einen Beitrag bei dieser notwendigen Dekarbonisierung des Wärme- und Kältemarktes leisten kann. Dabei ist natürlich darauf zu achten, dass die zentrale Aufgabe des Kanal- und Kläranlagensystems – die Sammlung und Reinigung des Abwassers bzw. der Gewässerschutz – weiterhin vollumfänglich wahrgenommen werden kann. Dies ist insbesondere bei der Nutzung des thermischen Potentials in Bereichen vor Kläranlagen wesentlich, da ein Mindestmaß an thermischer Energie für die Aufrechterhaltung biologischer Prozesse auf Kläranlagen absolut notwendig ist. Das thermische Potential nach Kläranlagen im Kläranlagenablauf steht wesentlich einfacher zur Verfügung. Wird hier Wärme entnommen, kann dies einer lokalen Erwärmung der betroffenen Gewässer entgegenwirken und somit einen weiteren positiven Effekt auf die Umwelt haben.

Technisch machbar wird die Nutzung der thermischen Energie des Abwassers durch eine Kombination moderner Wärmetauscher- und Wärmepumpentechnologien. Je nachdem, wo die Abwasserwärme genutzt werden soll, gibt es unterschiedliche Voraussetzungen, um ein solches System gezielt einsetzen zu können.

Rechtlich gilt es zu beachten, dass die Energieneutralität und Energieautarkie des Abwassersektors (z.B. schrittweise Steigerung des Energie-Eigendeckungsgrads auf Kläranlagen) ein zentrales Ziel der mittlerweile beschlossenen kommunalen Abwasserrichtlinie der Europäischen Kommission ist. Dies könnte Auswirkungen auf die thermische Nutzung von Abwasser außerhalb des Abwassersektors haben.

Neben den rechtlichen Vorgaben haben wir hier aber auch die Möglichkeit, positive Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Betrieb von Anlagen zu erzielen, da Kläranlagen grundsätzlich energieintensiv sind.

Das Ergebnis der Erhebungen ist ein Kataster mit insgesamt 30 Nutzungsräumen in ganz Oberösterreich, vornehmlich aber im Zentralraum, mit einer Abschätzung des theoretischen thermischen Potentials des Abwassers für Heiz- und Warmwasserzwecke einerseits im Kanalsystem vor der jeweiligen Kläranlage, andererseits nach der Kläranlage beim jeweiligen Kläranlagenablauf.

Abwasserwärme könnte nach erster Abschätzung acht Prozent der Oö. Haushalte mit Energie versorgen

Der erstellte Abwasserwärmepotentialkataster zeigt für Oberösterreich ein theoretisches thermisches Energiepotential von in Summe rund 485.000 MWh/a aus den relevanten Abschnitten der Kanalnetze sowie insbesondere aus den Abläufen der relevanten kommunalen Kläranlagen (hier alleine 441.000 MWh/a). Damit könnten theoretisch etwa 55.000 Haushalte (50.000 Haushalte davon in Kläranlagennähe) durchschnittlicher Größe mit Wärme-Energie aus Abwasser versorgt werden. Dies entspricht etwa 8% aller oberösterreichischen Privathaushalte.

Mit diesen ersten Ergebnissen wird es nun in weiterer Folge einen Austausch mit Oberösterreichs größten Betreibern von kommunalen Abwasserbeseitigungsanlagen geben. Dabei soll ein Informations- und Wissensaustausch zur Ressource „Energie aus Abwasser“ stattfinden, bei dem technische, rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen abgeklärt und über die damit verbundenen Herausforderungen diskutiert werden soll.

Für Investitionen zur Nutzung des thermischen Potentials von Abwasser aus dem Ablauf von Kläranlagen gibt es die Möglichkeit einer Bundesförderung und – in Abhängigkeit von der Standortgemeinde – auch einer Landesförderung jeweils aus den Fördermitteln für Maßnahmen in der kommunalen Siedlungswasserwirtschaft.

Rabmer-Gruppe – OÖ Familienunternehmen Vorreiter bei Anlagen zur Energiegewinnung aus Abwasser

Die Rabmer Gruppe, aus Altenberg bei Linz, beschäftigt sich mittlerweile seit mehr als 10 Jahren mit dem Thema Energie aus Abwasser und bietet von der ersten Potenzialabschätzung, über Machbarkeitsstudien bis zur Umsetzung der Projekte alles aus einer Hand. Zu den bisher bedeutendsten ausgeführten Anlagen in Österreich zählen etwa die neue Büro Zentrale von Wienkanal, das VIO Plaza, ein Projekt der oberösterreichischen Realtreuhand in Wien, welches auch zu den größten Energie aus Abwasser Projekten Europas gehört, das Rathaus in Tulln sowie aktuell auch eine Anlage für einen Linzer Industriebetrieb.

Es freut uns sehr, dass Energie aus Abwasser nun auch in Oberösterreich mehr in den Fokus rückt. Die durchgeführte Erhebung des theoretischen Potenzials des kommunalen Abwassers inklusive Erstellung eines Potenzialkatasters begrüßen wir sehr. Aus unseren Erfahrungen der letzten 10 Jahre können wir aber durchaus sagen, dass das praktisch durchführbare Projektpotenzial wahrscheinlich noch höher ausfallen könnte“, erklärt Ulrike Rabmer-Koller, Geschäftsführerin der Rabmer Gruppe.

Vor allem die Nutzung von Energie aus Abwasser Anlagen im Kanal vor der Kläranlage sollte noch stärker genutzt werden. Gerade im städtischen Bereich gibt es optimale Voraussetzungen für Energie aus Abwasser. Denn hier liegen einerseits Energiequelle und Abnehmer sehr nahe beieinander und andererseits wird auch der Kühlbedarf immer größer. Energie aus Abwasser Analgen bieten den großen Vorteil, dass sie sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen verwendet werden können.

„Auf dem Weg in eine klimafreundliche Zukunft, gilt es das gesamte Spektrum an Möglichkeiten und Technologien zu nutzen – dazu gehört vor allem auch die ressourcenschonende Energiegewinnung aus Abwasser im städtischen Bereich“.

Durch eine detaillierte Standortevaluierung sowie eine gewissenhafte Planung im Vorfeld, kann sichergestellt werden, dass Energie aus Abwasseranlagen keine negativen Auswirkungen auf Kanal bzw. Kläranlagen haben. Mittlerweile gibt es europaweit mehrere hundert „Energie aus Abwasser-Anlagen“ im Kanal, die zeigen, dass das große Potenzial zur erneuerbaren Heizung und Kühlung von Gebäuden auch vor der Kläranlage entsprechend genutzt werden sollte. Führend in Sachen Energie aus Abwasser ist mit großem Abstand die Schweiz, hier existieren bereits über 200 Anlagen mit sehr guten Erfahrungen.

Auch nach Kläranlagen sind Energie aus Abwasser Anlagen perfekte Kraftwerke der Zukunft. Denn im Ablauf der Kläranlage kann das relativ große Abwärme Potenzial entsprechend gehoben werden und neben der Abdeckung des Eigenbedarfs auf der Kläranlage vor allem für eine Einspeisung in Nah- und Fernwärmenetze genutzt werden. Dazu gibt es bereits erfolgreiche Referenzen auch in Österreich wie z.B. Hauptkläranlage Wien, ARA Gleisdorf oder Kläranlage Weiz.

Speziell in OÖ als Industriebundesland Nummer 1, sehen wir auch noch ein großen Energieschatz bei industriellen Abwässern. Es gibt viele Betriebe, die oft im Produktionsprozess warmes Abwasser erzeugen, das teilweise sogar mit zusätzlicher Energie abgekühlt werden muss, bevor es in den Kanal eingeleitet werden darf. Eine Deutsche Studie (Enervis, 2017) geht davon aus, dass, wenn man industrielle Abwärme inkludiert, sich das Gesamt-Potenzial von Abwasserenergie in Deutschland sogar auf 27% erhöht.

Der von Landesrat Kaineder vorgeschlagene Austausch mit Betreibern von kommunalen Abwasserbeseitigungsanlagen ist ebenfalls sehr zu begrüßen. Wir freuen uns, wenn Initiativen wie diese, dazu beitragen, Energie aus Abwasser auch in Österreich von der „Nische“ zum „Standard“ werden zu lassen. In einer Zeit, in der die Notwendigkeit eines Übergangs zu erneuerbaren Energien immer dringlicher wird, bietet die Energiegewinnung aus Abwasser eine vielversprechende Lösung“, erklärt Ulrike Rabmer-Koller abschließend.