Verlust der Böden bedroht Artenvielfalt und Ernährungssicherheit

Pressekonferenz mit Vizekanzler der Republik Österreich Werner Kogler, Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder, Oliver Raferzeder und Stefan Faschinger (Gründer und Geschäftsführer der Bäckerei brotsüchtig)

zum Thema

Verlust der Böden bedroht Artenvielfalt und Ernährungssicherheit – Erhaltung der Böden als zentraler Auftrag zur Sicherung der Lebensgrundlagen

Der Boden und seine Beschaffenheit sind die wichtigsten Grundlagen, wenn wir über unseren Lebensraum und unser Klima sprechen. Er ist Lebensgrundlage für Mensch, Tier und Pflanzen und erfüllt wichtige Funktionen wie die Speicherung von Wasser- und Nährstoffen als auch CO2 – in Zeiten, in denen trockene, niederschlagsarme Sommer immer mehr zur Normalität werden, eine ganz entscheidende Funktion. Der Umgang mit Boden in Österreich trägt diesem Wissen jedoch nicht Rechnung: In keinem anderen Land gibt es derart viele Einkaufszentren, Straßen und leerstehende Industrieflächen – also Flächen, die versiegelt sind und somit kein Wasser aufnehmen und kein CO2 speichern können. Immer mehr Wiesen und Äcker werden zu Bauland, dabei ist der Erhalt unserer Grünflächen lebenswichtig. In den letzten 25 Jahren gingen in Österreich 150.000 ha Äcker und Wiesen verloren, das entspricht der gesamten Agrarfläche des Burgenlands.

„Wer seine Heimat liebt, ruiniert sie nicht – mit ehrlichem und verbindlichem Bodenschutz erhalten wir unsere Lebensgrundlage“, sagt Vizekanzler Werner Kogler. „Ganz viele Menschen im Land wollen, dass das sinnlose Betonieren ein Ende nimmt und unsere Böden geschützt werden – das sehe ich als unseren Auftrag. Grüne Wiesen, gesunde Äcker und dichte Wälder – unsere Natur ist wunderschön und soll es auch bleiben. Nur mit gesunden Böden können wir unsere Ernährungssicherheit gewährleisten. Auch künftige Generationen sollen gesundes Gemüse und Getreide aus Österreich genießen können.“

Strenge Bodenschutzziele notwendig

Täglich werden allein in Oberösterreich rund 21.000 Quadratmeter Boden in Siedlungs-, Verkehrs- und Geschäftsflächen umgewidmet. Rund 40 Prozent dieser Fläche werden im Durchschnitt versiegelt oder überbaut und damit der Boden zerstört. „Wir können nicht weiter unsere produktivsten Böden zubetonieren. Neben der Ausweisung und dem Schutz von wertvollen landwirtschaftlichen Flächen im oö. Raumordnungsrecht braucht es aber auch aktives Handeln für den Klimaschutz, denn Bodenschutz ist Klimaschutz und Ernährungssicherung“, appelliert Klimalandesrat Stefan Kaineder.

Der Flächenverbrauch in Österreich wächst schneller als die Bevölkerung. Die Baulandreserven in Oberösterreich sind mit rund 11.000 ha so groß wie die bebaute Fläche Wiens und dennoch werden weiter fruchtbare Böden als Bauland gewidmet. Pro Oberösterreicher:in sind bereits knapp 400 m² versiegelt.

Auch nach dem Mahnmal Ohlsdorf, wo 19 Hektar Wald dem Boden gleich gemacht wurden, gewinnt man immer mehr den Eindruck, dass Oberösterreich zu einem riesigen Lager- und Speditionsparkplatz verkommt. „Die Leidtragenden sind unsere künftigen Generationen, denen wir mit dieser ungehemmten Bodenfraßpolitik die Lebensgrundlagen Stück für Stück entziehen. Es zeigt sich wieder einmal, dass es strenge Regelungen mit verpflichtenden Zielen braucht“, protestiert Kaineder gegen die Blockade der Raumordnungsreferent:innen der Bundesländer, das Bodenschutzziel der Bunderegierung von 2,5 Hektar Bodenverbrauch täglich umzusetzen. „Die Raumordnung ist das zentrale Instrument, um der Flächenversiegelung entgegenzuwirken. Es gilt eine Trendwende im Flächenverbrauch einzuleiten, jede weitere Zerstörung von Böden zu verhindern und unsere wertvollen Böden und vielfältigen Lebensräume zu schützen.“

„Ehrliche und verbindliche Ziele zur Reduktion von Bodenverbrauch braucht es – mit dem kopflosen Dahinbetonieren kann es nämlich so nicht weitergehen“, sagt Vizekanzler Kogler. „Die Bundesländer sind jeden Tag gefordert, Boden gut zu machen – einige Vorbild-Gemeinden machen es vor.“

Leerstandsabgabe bringt Bodenschutz

Es braucht verbindliche Ziele, um dem Bodenverbrauch Grenzen zu setzen und klaren Vorrang für Leerstandsnutzung, um wieder lebendige Orte zu schaffen. Rund 30.000 Wohnungen mit einer Wohnfläche von 2,6 Mio. Quadratmeter stehen laut Greenpeace-Berechnungen in Oberösterreich leer. Produktive Böden und Erholungsgebiete müssen besser geschützt werden und in den Bebauungsplänen und bei der Widmung von Verkehrsflächen sollten bodenschonende Errichtungen und eine flächensparende Erschließung die Norm sein. Österreichweit sind laut WIFO etwa 20 Prozent aller Wohnungen ohne Wohnsitzmeldung, das heißt, der Leerstand beträgt in Österreich insgesamt rund 650.000 Wohneinheiten.

„Dieses so wichtige und überfällige Instrument gegen Wohnungsnot, steigende Wohnpreise und Horten von Wohnungen ist endlich einzusetzen. Ein Instrument, das dazu beitragen wird, Bestehendes zu nutzen, statt immer neuen Boden zu verbrauchen“, so Kaineder, der vor allem in Oberösterreich die zuständigen Regierungsmitglieder zum Handeln auffordert.

Flächenfraß als Biodiversitätskiller

Neben der Ernährungs-Dimension ist festzuhalten, dass auch weniger produktive Böden Funktionen erfüllen, die für Ökosysteme und uns Menschen von zentraler Bedeutung sind. In einer von Dr. Franz Essl geleiteten Analyse des Umweltbundesamts wird festgehalten, dass die Mehrzahl der Lebensräume, die einen hohen Ausweisungsgrad als Bauland aufweisen, Lebensräume der Kulturlandschaft – etwa artenreiches Grünland und Streuobstwiesen – sind. Viele dieser Lebensräume weisen heute als Folge jahrzehntelanger Flächenverluste nur noch stark zersplitterte Vorkommen auf wodurch der Gefährdungsgrad dieser Lebensräume meist hoch ist und der Erhaltungszustand schlecht.

„Dabei verbauen wir nicht nur fruchtbares Ackerland, sondern auch wertvolle Lebensräume der Kulturlandschaft wie artenreiches Grünland, Streuobstwiesen und Moore. Wir verlieren täglich unwiederbringlich wertvolle Natur. Wir brauchen eine übergeordnete Planung. Der Flächenfraß beschleunigt zudem den Klimawandel: Verschwindet zu viel Boden unter Asphalt, wird er zum Speichern von Wasser und CO2 unbrauchbar. Naturkatastrophen sind programmiert

Dabei spielt die Artenvielfalt eine entscheidende Rolle bei Klimaschutz und Klimawandelanpassung. Intakte Ökosysteme nehmen Kohlenstoff auf und speichern ihn, von Permafrostböden und Regenwäldern sind uns diese Effekte bereits geläufig, aber neue Untersuchungen der Universität Salzburg haben dies auch für das Ökosystem Wiese nachgewiesen. Artenreiche Naturwiesen speichern mehr Biomasse als artenarme und wirken als Kohlenstoffsenke. Zudem schützen vielfältige stabile Ökosysteme vor Dürre, Hochwasser und Muren und sorgen für unsere Lebensgrundlagen – sie sind unsere wertvollste Versicherung gegen den Klimawandel.

Blockadehaltung der Bundesländer beim Nature Restoration Law muss enden: „Dieses Gesetz ist wichtig für unser aller Lebensgrundlage. Es geht dabei nicht nur um Lebensräume von Tieren und Insekten oder Naherholungsgebiete für Menschen, sondern auch um den Schutz vor Umweltkatastrophen und um zeitnahe Klimaanpassungsmaßnahmen. Indem wir den Flüssen wieder Raum geben, Wälder wieder aufforsten, naturnaher bewirtschaften und versiegelte Flächen begrünen, schützen wir uns vor Hochwasser, Dürren und Wetterextremen und die Natur in unserer wunderschönen Heimat“, so Umwelt- und Klimaschutz-Landesrat Stefan Kaineder.

Bodenverbrauch gefährdet Ernährungssicherheit

Unser Boden ist aber nicht nur durch die weitgehend ungebremste Versiegelung bedroht, auch der Klimawandel wirkt sich auf die Qualität unseres Bodens aus – mit drastischen Folgen für die Landwirtschaft und somit für unsere Ernährungssicherung. Wie sich die Bodenqualität in Österreich durch den Klimawandel verändern könnte, wenn wir nicht dagegen steuern, das zeigt eindrucksvoll die Studie „BEAT – Bodenbedarf für die Ernährungssicherung in Österreich“ der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur (BOKU), dem Bundesamt für Wasserwirtschaft (BAW), Umweltbundesamt (UBA) und Bundesforschungszentrum für Wald (BfW).

Die Studie zeigt teils dramatische Rückgänge im Ertrag der landwirtschaftlichen Produktion. Für den Weizenanbau wird eine Abnahme des Versorgungsgrades von 125 Prozent mit durchschnittlich 1,35 Mio. Tonnen Weizen pro Jahr auf nur mehr 64 Prozent und 790 Tausend Tonnen pro Jahr im Zeitraum 2036 bis 2065 prognostiziert. „Die Studie der AGES zeigt eindrücklich, dass wir uns in der Landwirtschaft auf gewaltige Umstellungen vorbereiten müssen. Wie die Klimakrise sich auf den Weizenanbau auswirken wird, ist schockierend. Eine Halbierung des Selbstversorgungsgrads würde uns abhängig von Importen machen und unzählige wertvolle Arbeitsplätze in der Landwirtschaft vernichten. Es ist eines von vielen Beispielen, das uns vor Augen führt, dass die Klimakrise nicht irgendwo weit weg passiert. Sie ist längst mitten vor unserer Haustür“, betont Klimalandesrat Stefan Kaineder.

Oberösterreich gilt als „Kornkammer“ und hat im Alpenvorland die fruchtbarsten Böden zum Anbau von Getreide. Der Getreideanbau in Oberösterreich ist aber durch den enormen Bodenverbrauch und die immer schneller voranschreitende Klimakrise stark bedroht. Die Ergebnisse der BEAT-Studie untermauern klar die Forderung nach einer massiven Verringerung des hohen Flächenverbrauchs und die Festlegung von konkreten Zahlen zur Zielerreichung.

Zeit, sich auch Gedanken über die Zukunft unseres wichtigsten Grundnahrungsmittels zu machen. Um gesundes und nahrhaftes Brot herstellen zu können, braucht es Getreide von hoher Qualität. Der Boden und seine Beschaffenheit sind somit die wichtigste Grundlage zur Herstellung des Brotes.

Bäckerei brotsüchtig – ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit

Bisher ist die Wirtschaft gewohnt ihre Entscheidungen im größten Teil im Sinne der Ökonomie zu treffen. Wir brotsüchtigen beziehen auch die ökologische und soziale Ebene in Entscheidungsfindung stärker ein. Dies wird in Zukunft eine Denkweise, die wir unumgänglich in unsere Unternehmensprozesse und Geschäfte miteinbinden müssen. Egal in welcher Branche.  

Viel Aufklärungsarbeit – Klimaschutz ja, nur solange es mich nicht trifft wird nicht funktionieren. Klimaschutz betrifft uns alle, von der Politik angefangen, über die Unternehmen bis hin zu den Bürgern. Sich dagegen quer zu legen, kostet in Zukunft noch mehr Geld und vor allem Chancen als heute.

Green Deal & Renaturierungsgesetz

Der Green Deal ist eine große Errungenschaft der EU. Dieser wird zu einem Umdenken der Länder, als auch der Unternehmen führen. Auch Unternehmen müssen sich anpassen. Diese müssen lernen, dass ökologisches Handeln die Grundlage sein muss. Diese Rahmenbedingungen gehören dann auch konsequent eingehalten und überprüft. Marktteilnehmer gehören sanktioniert, die sich nicht an Ökologische Vorgaben halten. Es wird ein hoher Bürokratie-Aufwand für das Erstellen von Öko-Bilanzen vorausgesagt. Laufende Finanzbuchhaltung und Jahresabschlüsse sind auch ein hoher Aufwand. Warum sollten wir dies nicht für das Klima und ein ökologisches Handeln machen? Es kann nicht sein, dass Länder das Recht haben, so große Entscheidungen zu blockieren. Umweltschutz auf Landesebene ist gut und wichtig, dennoch muss der Staat die Möglichkeit haben, hier in Ausnahmefällen die Länder zu überstimmen.

Einschränkung der Regionalität und der Vielfalt

Durch den Klimawandel wird die regionale Beschaffung von Rohstoffen schwinden: Ernteausfälle, Käfer etc. d.h. die Beschaffung muss ausgedehnt werden: Importe werden noch mehr und unsere eigenständige Ernährungssicherheit schwindet. Auch die Vielfalt wird darunter leiden, denn es wird vermehrt zu Sorten gegriffen, die den Temperaturen und Trockenperioden trotzdem können. Dies führt zur einseitigen Verfügbarkeit von Sorten. Erhöhte Kosten im Biolandbau für Kühlung und Lagerung, da Kornkäfer bei Trockenheit öfter auftritt und viele Erträge vernichtet. Daher ist ein erhöhter Fokus für die Forschung im Bereich Landwirtschaft unumgänglich.

Lebensmittelverschwendung

Ein kleiner, aber dennoch wichtiger Baustein ist die Reduktion von Lebensmittelverschwendung. Durch Überproduktion haben wir nicht nur Ernährungssicherheit, sondern zu jeder Zeit die volle Auswahl. Dies führt aber unweigerlich zu einer hohen Lebensmittelverschwendung. Frankreich ist hier Vorbild und hat bereits mit Gesetzen eingegriffen. Lebensmittelverschwendung im Handel ist der erste kleine Baustein, den man setzen könnte, mehr Bewusstsein für Lebensmittel müssten wir schon im Kindesalter schaffen und zwar in den Schulen.