Präsentation des oö. Integrationsberichtes 2020

Online-Pressekonferenz mit Landesrat Stefan Kaineder, Ines Vukajlovic (Integrationsstelle Land OÖ) und Peter Nollet (Grundversorgung Land OÖ)

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Präsentation des oö. Integrationsberichtes 2020

Oberösterreich ist in den vergangenen Jahrzehnten zur Heimat von Menschen aus unterschiedlichen Ländern geworden. Menschen mit Fluchtgeschichte, Menschen mit unterschiedlichen Religionen, kultureller Zugehörigkeiten und unterschiedlicher sprachlicher Fähigkeiten. Diese Vielfalt stellt für die heimische Wirtschaft vor allem in punkto Wettbewerbsfähigkeit am internationalen Markt einen wesentlichen Vorteil dar.

Auch für das gesellschaftliche Zusammenleben stecken in einer bunten Gesellschaft gewaltige Chancen. Neben dem großem Potenzial, bringt eine vielfältige Gesellschaft auch Herausforderungen mit sich. Um diese zu meistern, bedarf es einer professionellen und aktiven Integrationsarbeit im Sinne von Inklusion, Schaffen entsprechender Rahmenbedingungen auf unterschiedlichen Ebenen und der Gestaltung des Zusammenlebens auf regionaler und kommunaler Ebene.

Der vorliegende Integrationsbericht – verfasst von Grundversorgung OÖ (GVS) und Integrationsstelle OÖ (ISTOÖ), gibt Einblick in gesetzte Maßnahmen, Trends, Fakten, Zahlen und Entwicklungen aus den Bereichen Grundversorgung und Integration in OÖ. Neben konkreten Grundversorgungsplätzen, einem breiten Deutschkursangebot für geflüchtete Menschen, zielgruppenorientierte Maßnahmensetzungen und einem starken Netzwerk im Integrationsbereich wird die Eingliederung in unsere oberösterreichische Gesellschaft vom ersten Tag an angestrebt.

„Das Jahr 2020 hat uns alle vor unerwarteten Herausforderungen gestellt – so auch die Integrationsarbeit. Neben den Grundaufgaben des Integrationsressorts zählt seither die Informationsaufbereitung und Streuung von Themen rund um COVID-19 als eines der essentiellen Arbeitsschwerpunkte. So werden aktuelle Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19; umfassende Informationen zur Testung und Impfung mehrsprachig und zielgruppengerecht aufbereitet und an Grundversorgungsquartieren, Partnerinnen und Partnern in der Integrationsarbeit und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren wiederkehrend und umfassend kommuniziert“, so Landesrat Stefan Kaineder.  

Das vergangene Jahr hat uns tragischer weise vor Augen geführt, wie essentiell Präventionsarbeit in punkto Gewalt und Extremismus sind. Diese vielschichtige und komplexe Thematik der Extremismuspräventions- und Deradikalsierungsstrategien erfordert eine ressortübergreifende Zusammenarbeit. Der vorliegende Integrationsbericht führt Präventionsmaßnahmen, die vom Integrationsressort gesetzt werden beispielhaft an – wie beispielsweise das „Anti-Gewalt-Training“, das Gewaltschutzkonzept, die Praxistage für Mitarbeitende in der Flüchtlingsbetreuung zum Thema „Deeskalation“, oder die Schwerpunktsetzung in spezifischen Communities wie die der Tschetschenischen, Afghanischen und aktuell der Türkischen Community. Eine nachhaltige Adressierung von Herausforderungen in den unterschiedlichen Lebensbereichen betreffend des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher religiöser Weltanschauungen, Sprachkompetenzen und kulturellerer Backgrounds wird in einer professionellen Integrationsarbeit auch in Zukunft essentiell sein.

Brennende Fragen, die es bereits jetzt und in naher Zukunft zu adressieren gilt: Auswirkungen von COVID-19 auf den Arbeitsmarkt und das Bildungssystem und die Situation von Menschen mit Migrationshintergrund. Um unsere Gesamtgesellschaft in und nach dieser Pandemie bestmöglich zu unterstützen und bestehende Potenziale zu fördern, ist ein ressortübergreifender Ressourceneinsatz und ein verstärktes Miteinander auf unterschiedlichsten Ebenen unserer Gesellschaft unabdingbar.

Bilanz über die Grundversorgung in OÖ im Jahr 2020

Die Hauptaufgabe der Grundversorgung ist die Sicherstellung einer ausreichenden Anzahl an Quartiersplätzen. In den Jahren 2007 bis 2010 konnte Oberösterreich die geforderte Anzahl von Plätzen bereitstellen. In den folgenden Jahren konnte dies lange Zeit nicht mehr erreicht werden. Ende Dezember 2020 erfüllte Oberösterreich seine Quote zu rund 75 % (die Quote richtet sich nach der Einwohnerzahl des Bundeslandes) und es standen rund 520 freie Plätze zur Verfügung. Oberösterreich liegt damit an sechster Stelle im Bundesländervergleich. Durch die mangelnde Auslastung mussten daher im Jahr 2020 45 Quartiere geschlossen werden.

Wurden 2015 noch knapp 1.700 Asylanträge pro Woche österreichweit gestellt, sind diese 2016 auf ca. 800 Asylanträge pro Woche und 2017 auf rund 500 Asylanträge pro Woche gefallen. In den Jahren 2018 und 2019 lag die Zahl bei durchschnittlich 250 Asylanträgen pro Woche. Im Jahr 2020 wurden österreichweit durchschnittlich 272 Asylanträge pro Woche gestellt.

Landesgrundversorgung im Zeitverlauf

 201620172018201920202021
Flüchtlinge in der Landesgrundversorgung (Stichtag 23.4.)13.10911.8458955600940453070

Die Top 6 Nationen in der GVS des Landes Oberösterreich sind:

Von den derzeit in der Grundversorgung des Landes OÖ befindlichen Nationen stellte Afghanistan mit ca. 1.486 Personen die größte Gruppe dar.

Staat (Stand 31.12.2020)Anzahl aller Fremder
Afghanistan1.486
Irak637
Syrien, Arabische Republik270
Iran, Islamische Republik240
Somalia117
Russische Föderation113

Schwerpunkte im Grundversorgungsbereich 2020:

Anti-Gewalt-Training

Zusammen mit dem Verein NEUSTART wurde das Anti-Gewalt-Training entwickelt – die ersten beiden Anti-Gewalt-Trainings wurden bereits im Jahr 2019 durchgeführt. Im Jahr 2020 fand das dritte Anti-Gewalt-Training statt. Es waren für das Jahr 2020 zwar insgesamt drei Anti-Gewalt-Trainings geplant, jedoch war die Durchführung von allen drei Trainings aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 nicht möglich. Auch im Jahr 2021 sind Anti-Gewalt-Trainings geplant, ab Februar 2021 findet das vierte statt.

Zielgruppe sind Personen in der Grundversorgung, die als gewalttätig aufscheinen. Diese werden dem Verein NEUSTART zugewiesen und in weiterer Folge werden in kleinen Gruppen und an acht Terminen zu je vier Stunden die Trainings durchgeführt. Ziel ist der Aufbau von Konflikt- und Sozialkompetenz sowie die Ausbildung konstruktiver Handlungsalternativen. Durch Erkennen der Gründe des eigenen Handelns sowie die Stärkung der Opferempathie sollen bisherige Rechtfertigungsgründe und Neutralisierungsstrategien erkannt werden und die Übernahme von Eigenverantwortung geschehen.

Es werden auch Einzeltrainings mit Personen mit speziellen Bedürfnissen (z.B. Minderjährigen) durchgeführt.

Gewaltschutzkonzept

Das Gewaltschutzkonzept wurde bereits 2018 entwickelt, um Gefährdungssituationen für die Bewohner*innen in den Asylquartieren (insbesondere für vulnerable Gruppen) zu entschärfen, welche sich aufgrund einer Quartierssituation ergeben können. Mittels eines Leitfadens wird jedes Quartier hinsichtlich potenzieller Risikofaktoren analysiert und ein Bündel an Maßnahmen von der Prävention bis zum Schutz vor Gewalt und Gefährdungssituation geschnürt.

Im Jahr 2019 wurde der Leitfaden erstmalig in den trägergeführten Quartieren durchgeführt, im Jahr 2020 wurde der Leitfaden dann bereits in den trägergeführten Quartieren evaluiert und in den gewerblich geführten Quartieren erstmalig durchgeführt.

Ausblick:

Die Asylantragszahlen in Österreich sind in den ersten drei Monaten 2021 im Verhältnis zum Vergleichszeitraum 2020 gestiegen, wobei die meisten Antragsteller*innen aus Syrien kommen. Dies spiegelt sich auch in den Zuweisungen (601) wieder. Aus aktueller Sicht ist also davon auszugehen, dass 2021 wieder etwas mehr Menschen in Oberösterreich Grundversorgung benötigen.

Integration und Zusammenleben in Oberösterreich

In den vergangenen Jahrzehnten sind Menschen aus unterschiedlichen Ländern nach Oberösterreich zugewandert und haben sich hier niedergelassen. Auch Menschen mit Fluchtgeschichte sind Teil unserer Gesellschaft geworden. Die dadurch gestiegene gesellschaftliche Vielfalt spiegelt sich auch im Zusammenleben vor Ort wider und stellt uns alle – Zugewanderte und Einheimische – nicht nur vor neue Möglichkeiten, sondern auch vor neue Herausforderungen. Um diese zu meistern, bedarf es einer aktiven Integrationsarbeit im Sinne von Inklusion und Chancengleichheit, Schaffen entsprechender Rahmenbedingungen auf unterschiedlichen Ebenen und der Gestaltung des Zusammenlebens auf regionaler und kommunaler Ebene.

Die Integrationsstelle Oberösterreich (istOÖ) ist die Fachstelle des Landes OÖ im Sinne eines Förder-, Wissens- und Kompetenzortes und arbeitet auf Basis des Integrationsleitbildes des Landes Oberösterreichs „Integration verbindlich gestalten – Zusammenhalt stärken“, das im Juni 2018 einstimmig von der Oö. Landesregierung beschlossen wurde.

Auswirkungen von Covid-19 auf das Themenfeld Migration, Integration und Zusammenleben

Wie andere Bereiche auch, ist das Themenfeld Integration, Migration und Zusammenleben seit März 2020 stark von SARS-CoV-2 bzw. Covid-19 beeinflusst. Laut einer aktuellen OECD-Studie sind Menschen mit Migrationshintergrund besonders von den gesundheitlichen Folgen der Pandemie betroffen. Das liegt einerseits daran, dass sie in der Pandemie häufig an vorderster Front arbeiten und andererseits daran, dass sie häufiger unter Bedingungen leben, die mit höheren Risiken verknüpft sind – etwa beengten Wohnverhältnissen oder Armut.

Die istOÖ erarbeitete bereits zu Beginn der Pandemie und der damit verbundenen Schutzmaßnahmen bzw. Einschränkungen unterschiedliche Unterstützungsangebote. Nach einer krisenbedingten Bedarfseinschätzung der Gemeinden, NGOs, Träger, mit denen im Fachbereich zusammengearbeitet wird sowie MigrantInnen-Selbstorganisationen (MSO) wurden rasch Maßnahmen erarbeitet. Mit den landesinternen Anpassungen ermöglichte man den Trägern von Maßnahmen und Projekten die flexible Weiterarbeit in der Krisenzeit.

Bezugnehmend auf den hohen Informationsbedarf zu Covid-19 stellt die istOÖ seit Beginn der Pandemie verstärkt aktuelle, mehrsprachige Informationen rund um Covid-19 für unterschiedliche Zielgruppen zur Verfügung. Dies erfolgt u.a. durch:

  • Mehrsprachige Informationen, Aussendungen an Kooperationspartner sowie MSO – über die Homepage, den Newsletter der istOÖ sowie direkte Kommunikationskanäle
  • Erweiterung der Homepage um die Rubrik „Informationen für Menschen mit Migrationshintergrund“ https://www.integrationsstelle-ooe.at/Coronainfos_DEU_HTML.htm

Schwerpunkte in der OÖ. Integrationsarbeit im Jahr 2020

In Oberösterreich lebten Anfang 2020 284.168 Menschen mit Migrationshintergrund, das entspricht 19,5 % der Oö. Gesamtbevölkerung. Für ein gelingendes Zusammenleben setzt die istOÖ dabei auf unterschiedlichen Ebenen und mit folgenden Schwerpunkten an:

  • Herkunftsbezogene Integrationsschwerpunkte
  • Schwerpunkt auf Sprache, Bildung, Weiterbildung und Wissensvermittlung
  • Zusammenarbeit mit MigrantInnen-Selbstorganisationen (MSO)
  • Regionale und kommunale Integrationsarbeit
  • Sensibilisierung & Netzwerkarbeit
  • Extremismusprävention und Deradikalisierung
  • Öffentlichkeitsarbeit

Zusammenfassung und Ausblick

Etablierte Strukturen haben sich in Krisenzeit bewährt: Das Jahr 2020 war aufgrund der Pandemie ein besonderes Jahr mit vielen Herausforderungen. Es zeigte sich rasch, dass die bestehenden und in den letzten Jahren geschaffenen Strukturen in der Oö. Integrationsarbeit eine gute Basis für das Arbeiten in Krisenzeiten bilden und sich das etablierte und seit Jahren gut funktionierende Zusammenwirken verschiedener Akteure bewährt. So konnte die Arbeit auch in der Krisenzeit gut fortgeführt werden. Das breite Netzwerk setzt sich aus den zuständigen Fachabteilungen des Landes OÖ, den Bezirkshauptmannschaften, Gemeinden und Städten, NGOs und Vereinen, der Exekutive sowie den ReKIs und BvO als Fachbegleitung vor Ort bis hin zur Plattform „ZusammenHelfen in OÖ“ zusammen. Gemeinsam arbeitet man im Sinne einer aktiven Gestaltung des Zusammenlebens, die sich in dieser Form bewährt hat und in Österreich einzigartig ist. Die regionale und kommunale Integrationsarbeit wird dabei als einer der Schlüssel zum Erfolg gesehen. Eine Herausforderung für die Zukunft ist es, in Gemeinden das Bewusstsein für den Wert von Vielfalt, Mehrsprachigkeit, Internationalität und die damit verbundenen Standortvorteile zu fördern. Dafür braucht es Offenheit aller Beteiligten.

Vertrauensaufbau und Zusammenarbeit mit MigrantInnen wichtig: Der Kontakt zu organisierten (Selbstorganisationen und Vereine) sowie nicht formell organisierten MigrantInnen und Austausch mit diesen trägt zum Erfolg vieler Maßnahmen bei. Daher sollte eine vertiefte Zusammenarbeit und ein verstärktes querschnittsübergreifendes Arbeiten mit anderen Fachbereichen vorangetrieben werden. Bestehende Kontakte der istOÖ zu unterschiedlichen migrantischen Communitys (MSO, Schlüsselpersonen) in ganz Oberösterreich haben sich auch in der Covid-Krise als hilfreich erwiesen. Dadurch konnte der Krisenstab des Landes rasch und unkompliziert beim Erreichen verschiedener Zielgruppen unterstützt werden.

Neue Formen der Kommunikation auch künftig nützen: Im Zuge der neuen Herausforderungen wurden Kompetenzen im Bereich der digitalen Kommunikation erweitert, die auch den Vorteil mit sich bringen, dass über Social-Media-Kanäle mehr Menschen und entsprechende Zielgruppen erreicht werden können.

Integration als Querschnittsmaterie leben: Die Erfahrungen sowie das Oö. Integrationsleitbild zeigen auf, wie wichtig das Zusammenwirken unterschiedlicher Akteure und funktionierende Schnittstellen sind. Die Kontakte zu relevanten Stellen im Fachbereich Migration, Integration und Diversität, vor allem im Bereich Bildung, soll auch weiterhin fortgesetzt und intensiviert werden, bei Bedarf werden verstärkt ExpertInnen eingebunden.

Vor allem im Bildungsbereich sind die negativen Auswirkungen der Covid-Pandemie besonders spürbar, da die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen aus sozioökonomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen und/oder mit mangelnden Deutschkenntnissen, fehlender Einbettung in soziale Unterstützungssysteme, etc. besonders betroffen sind. Hier wird dringender Handlungsbedarf gesehen, um Benachteiligungen auszugleichen und den Kindern und Jugendlichen, aber auch Erwachsenen entsprechende Chancen zur Teilhabe in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.

Die 13. Integrationskonferenz des Landes OÖ am 18. Mai 2021 wird sich unter dem Motto„Bildung und Jugend“ und mit ExpertInnen aus Behörden, Wissenschaft und Praxis genau diesem Themenfeld und den Fragestellungen widmen. Die Fachkonferenz findet dem Zeitgeist entsprechend online statt, nähere Infos und den Folder zur Veranstaltung finden Sie unter:  https://www.integrationsstelle-ooe.at/integrationskonferenz_DEU_HTML.htm

Der gesamte Integrationsbericht 2020 ist abrufbar unter:

https://www.integrationsstelle-ooe.at/6888_DEU_HTML.htm