Plastikmüllberge belasten Umwelt und Gesundheit

Online-Pressekonferenz mit Landesrat Stefan Kaineder und Lena Steger (GLOBAL 2000)

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„Plastikmüllberge belasten Umwelt und Gesundheit – Aktuelle Bilanz von GLOBAL 2000 – EU-Sammelquote nur mit Pfandsystem erreichbar“

Durch den Einsatz von Kunststoff als Verpackungsmaterial ist eine Lawine an Wegwerf-Plastik entstanden, die sich nur äußerst langsam abbaut und viel zu selten wiederverwertet oder gar wiederverwendet wird. In den letzten Jahrzehnten ist die Plastikproduktion rasant angestiegen, fast die Hälfte des jemals produzierten Kunststoffes wurde seit dem Jahrtausendwechsel hergestellt. Plastikmüll belastet unsere Umwelt enorm, allen voran die Meere und Meerestiere, aber auch zahlreiche andere Tierarten sind davon betroffen. Laut Umweltbundesamt gelangen jährlich rund 40 Tonnen Plastik via Donau in das Schwarze Meer. Mikroplastik wurde auch schon wiederholt im menschlichen Körper nachgewiesen, Ende 2020 wurde über die Entdeckung italienischer Forscher von Mikroplastik in menschlicher Plazenta berichtet.

Ein erheblicher Anteil des Plastikmülls wird durch Kunststoffgetränkeflaschen verursacht, laut Zahlen von Abfallverbänden liegt die Sammelquote hier aber nur bei rund 70%. Um den Müll durch Einwegplastik deutlich verringern zu können, gibt es seitens der EU die Single-Use-Plastic-Richtlinie. Diese sieht vor, dass bis 2029 90% der Getränkeflaschen aus Kunststoff gesammelt werden müssen. Außerdem gibt es im Rahmen des Kreislaufwirtschaftspaketes die Vorgabe, die Recyclingquote für Kunststoffverpackungen auf 50% bis 2025 und auf 55% bis 2030 zu erhöhen.

„Um die EU-weite Sammelquote zu erreichen, führt kein Weg an einem Pfand auf Einweggetränkeflaschen vorbei“, ist sich Klima-Landesrat Stefan Kaineder sicher. „Wir sehen im europaweiten Vergleich, dass 90% Sammelquote nur in Ländern mit Pfandsystem erreicht werden können. Nicht nur die Single-Use-Plastic-Richtlinie kann mit einem Pfandsystem erfüllt werden, auch die Recyclingquote würde sich durch das qualitativ hochwertigere gesammelte Material und das dadurch ermöglichte „bottle-to-bottle“-Recycling schlagartig erhöhen“, so Klima-Landesrat Kaineder weiter.

Die Einführung eines Pfandsystems auf Einweggetränkeverpackungen ist auch Teil des „3-Punkte-Plans“ von Bundesministerin Leonore Gewessler. Im Plan angedacht sind außerdem noch die sukzessive Steigerung des Mehrweganteils bei Getränkeverpackungen sowie eine Abgabe für Produzent/-innen und Importeur/-innen, wenn sie Plastikverpackungen in Umlauf bringen. Die Supermarktkette Lidl präsentierte Ende Jänner 2021 gemeinsam mit Ministerin Gewessler einen hochmodernen Pfandautomaten, der so auch in Zukunft flächendeckend zum Einsatz kommen könnte.

„Die steigende Nachfrage nach Plastik führt zwangsläufig zu Problemen bei der Entsorgung. Etwa 40 % der Plastikprodukte sind in weniger als einem Monat Abfall. Dieser immer weiter wachsende Berg an Plastikmüll verursacht ernsthafte Umweltprobleme“ betont Lena Steger, Ressourcensprecherin und Plastik-Expertin bei GLOBAL 2000 und sagt weiter: „Insgesamt kommen jährlich 181 Plastikflaschen pro Österreicher/in auf den Markt. Mit allen 1,6 Mrd. Plastikflaschen könnte man aneinandergereiht elf Mal die Welt umrunden. Das ist schlicht und einfach zu viel! Ein Blick in die Geschichte zeigt: Nur neun Prozent der über acht Milliarden Tonnen Kunststoff, die seit 1950 produziert wurden, sind tatsächlich recycelt worden. Plastikverschmutzung betrifft mittlerweile auch die abgelegensten Orte auf diesem Planeten. Man findet Plastik in der Arktis im Eis, auf unseren Gletschern und auch am tiefsten Punkt der Erde – im Marianengraben im Pazifik.“

Plastik – nicht nur ein Müllproblem, sondern auch ein Klimakiller

Es ist kein Geheimnis, dass die Produktion und der Müll des billigen Werkstoffs gravierende Folgen für die Umwelt haben. „Dass die Plastikverschmutzung unsere Ozeane und Tiere bedroht, ist weitläufig bekannt. Aber Plastik ist auch ein gigantischer Klimakiller. Plastikprodukte bestehen zu 99 % aus fossilen Rohstoffen und haben somit ihren Ursprung entweder an einem Ölbohrloch oder werden aus Fracking-Gas hergestellt“, erklärt Lena Steger. Zwischen den einzelnen Produktionsschritten liegen meist weite Transportwege, die Nutzung wiederum ist häufig von nur sehr kurzer Dauer. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette entstehen klimaschädliche Emissionen und negative Auswirkungen für Mensch und Natur.  

Regulierungen gegen Plastikmüllberge

Das aufgrund dieser Tatsachen massiver Handlungsbedarf besteht, ist mittlerweile klar. Daher gibt es nun vonseiten der EU, aber auch auf nationaler Ebene, Vorhaben dieser ausufernden Vermüllung den Riegel vorzuschieben. „Es muss künftig einen Systemwechsel geben – weg von der Wegwerfgesellschaft hin zur Kreislaufwirtschaft. Ein Pfandsystem mit verbindlichen Mehrwegquoten ist ein Glied, das diesen strukturellen Wandel im Verpackungsbereich unterstützen kann“ betont Lena Steger.

Insgesamt gibt es eine Reihe an Maßnahmen, aber mindestens vier Vorgaben, die einem Pfandsystem den Weg ebnen:

  1. Das EU-Kreislaufwirtschaftspaket sieht vor, dass Abfall zu vermeiden ist und – wo Abfälle sich nicht vermeiden lassen – das Recycling von Siedlungs- und Verpackungsabfällen erheblich zu steigern ist. Die neuen Rechtsvorschriften stärken die „Abfallhierarchie“, d. h. sie verpflichten die Mitgliedstaaten, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, die den Schwerpunkt statt auf Deponierung und Verbrennung auf Vermeidung, Wiederverwendung und Recycling legen und damit die Kreislaufwirtschaft Wirklichkeit werden lassen. Für Plastik wurden folgende Vorgaben für alle EU-Mitgliedstaaten festgelegt:

    2025: 50% Recyclingquote für Kunststoffverpackungen
    2030: 55% Recyclingquote für Kunststoffverpackungen

    Österreich recycelt derzeit lediglich 26% der Kunststoffverpackungen und  muss demnach die      Recyclingquote in nun nur mehr vier Jahren verdoppeln.
  2. Die Einwegplastikrichtlinie (oder Single-Use Plastic Directive) soll die Verschmutzung durch Einweg-Plastik deutlich verringern und Mehrweg-Lösungen fördern. Sie drängt zu einem Wandel weg von Einweg-Produkten hin zu Mehrweg-Systemen. In der Richtlinie ist die Verringerung von Einweg-Plastik Ziel einer Reihe von politischen Maßnahmen – abhängig vom Produkt und den dafür bestehenden Alternativen.

    Artikel 9 der Single-Use Plastic (SUP) Directive verlangt, dass alle EU-Mitgliedsstaaten eine getrennte Sammelquote von 90% bei Plastikflaschen bis 2029 erreichen, mit einem Zwischenziel von 77% bis 2025. Diese Quote ist hoch gesetzt, weil Plastikflaschen deutlich zur Verschmutzung der Natur beitragen. In der Richtlinie wird die Erreichung der Quote zum Beispiel mithilfe eines Pfandsystems vorgeschlagen. Österreich sammelt derzeit 70% der Plastikflaschen getrennt. Es ist kein Land bekannt, dass ohne finanzielle Anreize die 90%-Quote erreicht.

    Zusätzlich soll künftig mehr Recyclingmaterial eingesetzt werden. Dafür wurde festgelegt, dass alle PET-Getränkeflaschen bis zu drei Liter Füllvolumen einen Rezyklatanteil haben müssen.

2025: 25% Recyclingmaterial
2030: 30% Recyclingmaterial

3. EU-Plastikabgabe:
Seit Jänner 2021 müssen alle EU-Mitgliedstaaten für nicht recycelte Plastikverpackungen eine Abgabe von 80 Cent pro Kilogramm nicht wieder verwertbarem Plastikabfall an die EU bezahlen. Dadurch soll ein Anreiz geschaffen werden, dass Plastikabfall bestenfalls vermieden, aber jedenfalls recycelt wird. „Derzeit wird die Abgabe aus dem laufenden Budget bezahlt –  mit dem Steuergeld der Österreicher/-innen – und damit die ursprünglich erwünschte Lenkungsfunktion völlig verfehlt. So werden alle gleichermaßen zur Kasse gebeten, unabhängig davon, ob einzelne Personen im Privaten darauf achten, weniger Verpackung zu verwenden. Generell haben es nur die Hersteller in der Hand, die Systeme zu ändern und daher muss diese Abgabe auch an diejenigen abgewälzt werden“, fordert Lena Steger von GLOBAL 2000.

4. Regierungsprogramm 2020 – 2024

Die derzeitige Bundesregierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm zum Ziel gesetzt, Kunststoffverpackungen um 20% (Basisjahr 2018) bis 2025 zu reduzieren. Außerdem sollen „verbindliche gesetzliche Rahmenbedingungen inklusive konkreter Ziele für den Ausbau von Mehrwegsystemen, insbesondere auch für Getränkeverpackungen“ geschaffen werden.

Die damalige Umweltministerin Köstinger hat 2019 eine Studie beauftragt um festzustellen, wie diese geforderte getrennte Sammelquote von 90 % in Österreich erreicht werden kann. Die Ergebnisse liegen seit Ende Januar 2020 vor: Ein Einweg-Pfandsystem ist demnach die kosteneffizienteste Variante, um die EU-Vorgaben zu erfüllen. Ein Pfandsystem erreicht die höchste Rate an getrennter Sammlung – um 90 Prozent in Europa. In Deutschland liegt die Rücklaufquote durch das Pfandsystem sogar bei 98 Prozent.

Zusätzlich führt Lena Steger die von von GLOBAL 2000 und Changing Markets beauftragte Meinungsumfrage an: „83 % der österreichischen Bevölkerung unterstützen die Einführung eins Pfandsystems. Die Unterstützung ist deshalb so groß, weil sich viele über den Müll neben den Straßen und auf öffentlichen Plätzen ärgern.“ Mit einem Pfandsystem kann die Verschmutzung der Natur deutlich reduziert, ausufernde Müllberge verringert und Plastik eingespart werden. Gleichzeitig kann der drastisch gesunkene Anteil an Mehrweg-Flaschen (nur mehr 19%) wieder gestärkt werden.

Littering

Aktuelle Aktivitäten gegen Littering reichen nicht aus. Nur Informationskampagnen alleine zeigen nicht ausreichend Wirkung gegen die Vermüllung. „Ein Pfandsystem führt zu deutlich weniger Müll in Österreichs Natur, das zeigen auch die hohen Rücklaufquoten in Ländern die bereits Pfandsysteme etabliert haben. Pfandsysteme sind ein effektives Tool für die Anwendung des Verursacherprinzips“, erklärt Steger. Es wirkt sich auch positiv auf das generelle Trennverhalten aus, da ein Pfandsystem eine bewusstseinsbildende Maßnahme ist.

Pfandsysteme europaweit auf dem Vormarsch

Mit insgesamt über 40 Ländern und Regionen weltweit, die ein Pfandsystem für Einweg-Getränkeverpackungen umgesetzt haben, wächst die Expertise für Rückgabesysteme auf internationaler Ebene stetig an. Aber auch in Europa gibt es bereits zehn Länder mit Pfandsystemen, manche haben es bereits seit Jahrzehnten eingeführt.

„Mittlerweile ist europaweit ein regelrechter Trend hin zu Pfandsystemen zu spüren. In den nächsten drei bis vier Jahren werden insgesamt zwölf neue Pfandsysteme hinzukommen“, zeigt sich Steger erfreut.
Gerade letztes Jahr gab es wieder ein paar neue Beschlüsse: Irland wird ab 2022 mit dem Pfandsystem beginnen, ebenso die Slowakei. Griechenland folgt ein Jahr später und Luxemburg hat vergangenen September beschlossen, ein Pfandsystem einzuführen, aber noch kein fixes Implementierungsdatum. Auch bestehende Pfandsysteme werden ausgeweitet: Holland wird das bestehende Pfandsystem, das seit 2005 nur für große Plastikflaschen (mit mehr als 1 L Fassungsvermögen) galt, erneuern. Ab Juli werden auch kleine Plastikflaschen mit einem Pfand belegt und ab 2023 auch Dosen. Ähnliches wurde kürzlich in Deutschland beschlossen. Hier war bisher der Inhalt ausschlaggebend für die Pfandpflicht. Beispielsweise waren Nektar, Säfte und Wein bisher ausgenommen. Künftig werden diese Ausnahmen aufgehoben und nur die Art der Verpackung entscheidet, ob ein Pfand gilt oder nicht.

Einwegpfand und Mehrwegausbau

„Die Einwegplastik-Richtlinie sendet eine klare Botschaft: Wir müssen unsere Wegwerfkultur und den Plastikmüll überdenken! Daher reicht ein Einweg-Pfand alleine nicht aus, sondern muss in Kombination mit verbindlichen Mehrwegquoten etabliert werden um langfristig eine Trendumkehr einzuleiten“, betont Lena Steger. Die SUP-Richtlinie ist ein Startschuss weg von umweltschädlichen Wegwerfprodukten, hin zu nachhaltigen Mehrweg-Lösungen. „Mehrweg spielt eine wichtige Rolle in einer Kreislaufwirtschaft. „In der Abfallhierarchie ist ´Vermeidung´ und ´Wiederverwendung´ IMMER dem Recycling vorzuziehen“, erklärt Steger. Mehrweg biete die Möglichkeit, uns von dem umweltschädlichen Wegwerftrend zu distanzieren und in ein neues abfallreduziertes Zeitalter einzutreten. Ein Einweg-Pfand schafft „Waffengleichheit“ für Mehrweg und kann in Kombination mit verpflichtenden Mehrwegquoten im Getränkesortiment ein Sprungbrett für Mehrweg sein.

Deshalb fordert GLOBAL 2000

  • dringend eine verpflichtende Mehrwegquote, die sich stufenweise erhöht und für die es Sanktionen gibt, die sich bei Nicht-Erfüllung an den Lebensmitteleinzelhandel richten. Nur so kann auch eine tatsächliche Wahlfreiheit für Konsument/-innen am Regal gewährleistet werden.
  • Die Einführung eines Einwegpfandsystems (bestenfalls für alle Getränkeverpackungen, neben Plastikflaschen und Dosen auch Glas und TetraPak)
  • ein Pfandsystem ermöglicht ein Bottle-to-bottle Verfahren und verhindert sogenanntes „downcycling“
  • Abfallvermeidung als oberstes Prinzip bei allen Maßnahmen

Die einzelnen EU-Vorgaben drängen nach schneller Umsetzung in nationales Recht. Für das EU-Kreislaufwirtschaftspaket haben wir bereits die Frist bis Juli 2020 verstreichen lassen. „Auch die Marktbeschränkungen aus der SUP-D müssen bis spätestens Juli 2021 in Kraft sein. Deshalb ist nun ambitioniertes Handeln gefragt, um die EU-Vorgaben zu erreichen und auch künftige Strafzahlungen zu vermeiden“, so Lena Steger abschließend.