Gesetzesnovelle bringt Meilenstein zur Bekämpfung der Lichtverschmutzung
Pressekonferenz mit Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder, Dr.in Sigrid Sperker (Leiterin Strahlenschutz – Land OÖ) und Mag. Jürgen Frank (Leiter Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Anlagenrecht – Land OÖ)
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Oberösterreich bringt den Nachthimmel zurück – Gesetzesnovelle bringt Meilenstein zur Bekämpfung der Lichtverschmutzung – Gemeinden bekommen Regelwerk zur Umstellung auf energiesparende und umweltverträgliche Beleuchtung
Neben der Klimakrise ist das Voranschreiten des Artensterbens eine der größten Bedrohungen für die Menschheit. Die Erderwärmung, intensive landwirtschaftliche Nutzung, der Verlust von wertvollen Böden und das Verbauen ganzer Landstriche bedeuten Lebensraumverlust und die Zerstörung von funktionierenden Ökosystemen. Am sichtbarsten kann dies am Rückgang des Vogelbestandes nachvollzogen werden. Auch die Vielfalt der Pflanzen leidet stark. Blühten früher auf einem Quadratmeter Wiese etwa zwölf bis zwanzig Arten gleichzeitig, so sind es heute nur mehr ein bis zwei. Mit fatalen Folgen: Die Insekten sterben, die Bestände an Wildbienen, Schmetterlingen und Vögeln sind massiv eingebrochen – international, aber auch bei uns in Oberösterreich. Das ist ein schwerer wirtschaftlicher Schaden, aber mehr noch eine Gefährdung unserer Lebensgrundlagen.
Die Zahlen der Wissenschaft könnten dramatischer nicht sein: schon innerhalb eines Jahrhunderts könnten weltweit 40 Prozent der Insektenarten der Vergangenheit angehören, dies könnte zu einem „Kollaps der Ökosysteme der Natur führen“ – warnen Expert:innen immer wieder.
Ein wesentlicher Grund für den massiven Rückgang an Insekten- und Vogelbeständen ist auch in der unkontrollierten Lichtverschmutzung der vergangenen Jahrzehnte auszumachen. So sind etwa 85 Prozent der Schmetterlinge in Österreich nachtaktiv. Es zeigt sich, dass Kunstlicht in falscher Qualität und Intensität zur falschen Zeit am falschen Ort gravierende Schattenseiten haben kann. Die Lebensbedingungen vieler Tiere und Pflanzen haben sich dadurch verändert.
Bereits seit rund 10 Jahren beschäftigt sich das Umweltressort des Landes Oberösterreich mit dem Thema Lichtverschmutzung und ist damit Vorreiter beim Schutz des Nachthimmels. Mittels Überfliegungen wurde 2016 der oö. Lichtkataster erstellt und kurz darauf entstand das österreichweit erste Lichtmessnetz, das jede Nacht den Helligkeitsverlauf an 23 Stationen festhält. In Pilotgemeinden wurden neue Beleuchtungssysteme erprobt und eingesetzt, die den Menschen den natürlichen Nachthimmel zurückgeben und den Insekten und Vögeln wieder einen besseren Lebensraum ermöglichen. Seit zwei Jahren gibt es den ersten österreichischen Sternenpark mit dem Sternenpark Attersee-Traunsee, der auf die Zusammenarbeit von Umweltressort, des Instituts für Astrophysik der Universität Wien und den betroffenen Gemeinden zurückzuführen ist.
Nun folgt mit einer Gesetzesnovelle der nächste wichtige Meilenstein gegen Lichtverschmutzung. Diese wird vorsehen, dass die Gemeinden ein klares Regelwerk zur Umstellung auf energiesparende und umweltverträgliche Beleuchtung bekommen. Durch dieses Landesgesetz sollen einheitliche Regelungen zur Vermeidung von Lichtverschmutzung in landesrechtlichen Materien geschaffen werden. Ziel ist die richtige Beleuchtung an den richtigen Stellen. Nicht notwendige Emissionen von Licht in die Umwelt sollen damit eingedämmt werden. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen liefern einen zentralen Beitrag zur dauerhaften Verringerung der negativen Auswirkungen künstlichen Lichts und damit zum Schutz der Umwelt.
„Ich bedanke mich beim oberösterreichischen Landtag für diesen bedeutenden Gesetzesauftrag, der das Land und vor allem die Gemeinden sukzessive wegführt von schädlichem, grellem und unnötigem Kunstlicht. Diese Umstellung wird umfassend, die Regelung ist bahnbrechend und wir betreten damit Neuland. Sie wird die Lebensqualität der Menschen erhöhen, Energie und damit Energiekosten einsparen. Sie wird die Um- und Tierwelt und auch das Klima schützen“, ist Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder überzeugt.
Was ist Lichtverschmutzung?
Künstliches Licht ist zunächst eine große Errungenschaft der Menschheit. Die stetige Forderung nach mehr Licht hat gemeinsam mit der Effizienzsteigerung und technologischen Weiterentwicklungen allerdings zu verschwenderischem Umgang mit Licht geführt. Dieses Mehr an Licht ist nicht automatisch besser, sondern schafft bedenkliche Auswirkungen für Mensch, Tier und Umwelt und stellt uns vor neue Herausforderungen. Dunkle Nächte und natürliches Licht tagsüber sind wichtig für unsere Gesundheit und unseren Lebensraum. Das Problem der Lichtverschmutzung verstärkt sich dennoch von Jahr zu Jahr. So nimmt die Helligkeit in Europa im Schnitt um 5 bis 6 Prozent pro Jahr zu.
Die wesentlichen Punkte des Gesetzesentwurfs
Verbindlicherklärung von einschlägigen ÖNORMEN
Die meisten beleuchtungstechnischen Fragen sind österreichweit derzeit nicht gesetzlich geregelt. Es gibt jedoch Normen, die bestimme Mindeststandards für die Beleuchtung wie auch zur Vermeidung unerwünschter Störwirkungen von künstlichem Licht setzen.
Eine wichtige normative Grundlage ist die ÖNROM O 1052 „Lichtimmissionen – Messung und Beurteilung“, die im Herbst 2012 in Kraft trat. In dieser Norm geht es nicht um einen speziellen Typ von Beleuchtung, sondern ganz allgemein darum, wie man künstliche Beleuchtung so gestalten kann, dass Blendung, Raumaufhellung, Aufhellung der Umwelt, Himmelsaufhellung usw. möglichst vermieden werden können. Kurzum: Ein wichtiges Thema der ÖNROM O 1052 ist die Vermeidung von Lichtverschmutzung.
Diese Norm wird mit der Novelle im Oö. Umweltschutzgesetz für verbindlich erklärt. Damit ist sie bei sämtlichen Angelegenheiten, welche in den Zuständigkeitsbereich des Landes fallen, verbindlich. Die Verbindlicherklärung wirkt sich allerdings nicht auf jene Rechtbereiche aus, für die der Bund zuständig ist, wie etwa das Gewerberecht. Eine solche Regelung kann im Landesrecht nicht getroffen werden, weil sie verfassungswidrig wäre.
Die ÖRNOM regelt unter anderem, dass bestimmte Voraussetzungen einzuhalten sind, sofern die Beeinträchtigung von Natur und Umwelt durch künstliches Licht vorliegt. So ist beispielsweise die Beleuchtung von Schlaf- und Brutplätzen zu vermeiden. Naturschutzfachlich sensiblen Lebensräumen wie etwa bei Ausweisung in der Biotopkartierung oder Gewässern dürfen durch künstliche Beleuchtung um nicht mehr als 0,25 Lux aufgehellt werden. Es sind geschlossene Leuchten einzusetzen, um insbesondere das Eindringen von Insekten zu verhindern.
Rechtssicherheit für Gemeinden
Die Gemeinden bekommen ein klares Regelwerk für die Lichtumstellung – eine gute Nachricht für Mensch, Tier und das Klima und ein wesentlicher Beitrag, Energie einzusparen. Für das Vorliegen einer öffentlichen Außenbeleuchtungsanlage ist es künftig unerheblich, ob das erzeugte künstliche Licht direkt oder indirekt auf den öffentlichen Raum einwirkt. Der öffentliche Raum ist dann gegeben, wenn diese Bereiche von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.
Gemeinden werden zum energieeffizienten und umweltschonenden Betrieb von öffentlichen Außenbeleuchtungsanlagen verpflichtet. Deutlicher als zuvor können sie nun die Lichtstärke und die Dauer der Beleuchtung auf das Maß beschränken, das aus Sicherheitsgründen unbedingt erforderlich und für den Verwendungszweck geboten ist. Das bringt Rechtssicherheit und Klarheit für die Gemeinden, für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Zu diesem Zweck erhalten die Gemeinden die Möglichkeit zur Erstellung von Beleuchtungskonzepten in Form von Richtlinien.
So können Gemeinden in ihren Beleuchtungskonzepten die Lichtstärke und die Dauer der Beleuchtung beschränken: Insbesondere kann die Beleuchtung in den Dunkelstunden bzw. in der Zeit von 23 Uhr bis 5 Uhr gänzlich entfallen (Nachtabschaltung) oder auch deutlich reduziert werden (Nachtabsenkung). Immer wo Außenbeleuchtungsanlagen in den öffentlichen Raum einwirken, finden damit die Richtlinien Anwendung. (Info: Der Einsatz dekorativer Beleuchtung in der Weihnachtszeit beispielsweise oder solche, die aus Sicherheitsgründen geboten ist, bleibt erlaubt).
Was fällt nunmehr unter öffentliche Außenbeleuchtungsanlage und öffentlichen Raum?
- öffentliche Außenbeleuchtungsanlagen: alle Außenbeleuchtungsanlagen, die mit künstlichem Licht den öffentlichen Raum beleuchten, einschließlich jener mit dekorativem Charakter und jener für Werbezwecke;
- öffentlicher Raum: alle der Öffentlichkeit zugänglichen oder zur Verfügung gestellten Bereiche wie Verkehrswege, Plätze, Parkplätze, Einrichtungen, Anlagen und Sportstätten.
Erste Anfragen zur Gesetzesnovelle aus den anderen Bundesländern verdeutlichen die Relevanz dieser Initiative.
Die Erstellung eines Beleuchtungskonzepts ermöglicht es den Gemeinden konkret zu überlegen welcher Beleuchtungsbedarf gegeben ist. Ist ein Beleuchtungsbedarf aus Sicherheitsgründen gegengeben, wird damit sichergestellt, dass an diesen Stellen (Gefahrenstellen, Unterführungen) auch eine ausreichende Beleuchtung sichergestellt ist. Demgegenüber kann eine Einschränkung der Beleuchtung dort erfolgen, wo kein Bedarf festgestellt wird. Diese Auseinandersetzung ermöglicht es großflächigen Aufhellungen zu begegnen.
Für öffentliche Außenbeleuchtungsanlagen ist der Verwendungszweck maßgeblich. Damit ist auch klargestellt, dass Weihnachtsbeleuchtungen weiterhin möglich sein werden, weil diese einen dekorativen Zweck verfolgen.
Mit der Schaffung der Regelungen, die eine bedarfsgerechte Beleuchtung zum Ziel haben, nimmt das Land Oberösterreich eine Vorreiterrolle in Österreich ein und trägt so zum Schutz der Umwelt, der Natur bei und schafft auch die Voraussetzungen, dass Gemeinde nicht notwendige Energie für Beleuchtungen einsparen und damit auch relevante Kosten reduzieren können.
OÖ ist seit jeher Vorreiter im Kampf gegen Lichtverschmutzung
Tags zu wenig, nachts zu viel Licht. Das ist ein Grundproblem der Lebensweise des modernen Menschen. Dunkle Nächte und natürliches Licht tagsüber sind wichtig für uns Menschen und unseren Lebensraum. Kunstlicht in falscher Qualität und Intensität zur falschen Zeit am falschen Ort kann aber gravierende Schattenseiten haben.
Wie hell die Nächte durch künstliches Licht werden, zeigen das OÖ-Lichtmessnetz und der Lichtkataster Zentralraum: Sie zeigen, wie unterschiedlich sich die Himmelsaufhellung in Oberösterreich darstellt und wie viel Licht urbane Gebiete im Vergleich zu ländlichen Regionen abstrahlen. Insgesamt 23 Messstationen ermitteln in Oberösterreich jede Nacht die Himmelsaufhellung.
Wie unterschiedlich sich der Nachthimmel an verschiedenen Standorten darbietet, zeigen die folgenden Fischaugen-Nachtaufnahmen bei den Stationen (von links nach rechts): Kirchschlag‑Davidschlag in Mühlviertel (21,4 mag), Linz‑Sternwarte (19,6 mag) und Linz‑Goethestraße (18,9 mag) bei gleichen Kameraeinstellungen.
Das Land Oberösterreich initiierte bereits erstmals 2018 einen österreichweiten Leitfaden mit Empfehlungen für Licht im Außenraum. Der Film “Licht im Einklang mit Mensch und Natur” zeigt am Beispiel der Gemeinden Kirchschlag bei Linz und Steinbach am Attersee mit Drohnenaufnahmen eindrucksvoll, wie Mensch und Umwelt von zukunftsfähiger Außenbeleuchtung profitieren.
Nähere Informationen und Publikationen finden Sie gut aufbereitet auf der Homepage des Landes OÖ unter Licht – Lichtverschmutzung: https://www.land-oberoesterreich.gv.at/115999.htm