Taxonomie-Verordnung: Atomkraft darf kein Nachhaltigkeitssiegel tragen – Umweltminister Totschnig muss sich zum Rechtsmittel bekennen
Presseaussendung
Taxonomie-Verordnung: Atomkraft darf kein Nachhaltigkeitssiegel tragen – Umweltminister Totschnig muss sich zum Rechtsmittel bekennen
Sieben Wochen nach dem Urteil des EU-Gerichts, das die Einstufung von Atomkraft und fossilem Gas als „nachhaltig“ im Rahmen der EU‑Taxonomie bestätigt hat, fordert Oberösterreichs Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder vom zuständigen Umweltminister Norbert Totschnig unmissverständlich: Österreich muss Rechtsmittel beim Gerichtshof einlegen. Heute haben 70 Organisationen aus ganz Europa diesen Appell erneuert – und sie haben recht: Jetzt ist der Moment, Farbe zu bekennen.
„Wir lassen das Greenwashing von Hochrisikotechnologien nicht durchgehen. Atomkraft ist weder nachhaltig noch hilft sie uns beim Klimaschutz – sie bindet Milliarden, kommt viel zu spät und hält uns abhängig von autoritären Regimen. Minister Totschnig muss das Urteil anfechten – aus Verantwortung für Klima, Sicherheit und Versorgungssouveränität“, so Landesrat Stefan Kaineder.
Hintergrund
Am 10. September 2025 wies das Gericht der EU die Klage Österreichs gegen den ergänzenden Delegierten Rechtsakt zur Taxonomie ab. Gegen Urteile des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten ein – auf Rechtsfragen beschränktes – Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden. Diese Frist läuft, die Bundesregierung muss handeln.
Heute unterstrichen 70 zivilgesellschaftliche Organisationen in einer gemeinsamen Aussendung ihre Forderung an Umweltminister Totschnig, das Urteil zu bekämpfen. Sie verweisen auch darauf, dass bis zu einer endgültigen Entscheidung des Gerichtshofs niemand auf Basis der Taxonomie in neue Atomprojekte investieren werde – Zeit, die wir für den konsequenten Ausbau der Erneuerbaren nutzen müssen.
Warum Atomkraft kein „grünes“ Investment ist
- Zu langsam für die Klimaziele: In Europa zeigen die jüngsten Projekte die Realität: Olkiluoto‑3 in Finnland brauchte rund 18 Jahre von Baubeginn (2005) bis zum Regelbetrieb (April 2023). Flamanville‑3 in Frankreich ging nach rund 17 Jahren Bauzeit im Dezember 2024 erstmals ans Netz – zwölf Jahre verspätet und viermal so teuer wie geplant. Bereits 2026 muss der Reaktor wieder abgeschaltet werden, da die französische Atomaufsicht Schwachstellen im Reaktordeckel festgestellt hat. Das passt nicht zu einem Jahrzehnt, in dem wir Emissionen schnell senken müssen.
- Abhängigkeiten und Geopolitik: 2023 stammten rund 23 % des Natururans und 38 % des angereicherten Urans der EU aus Russland. Diese Lieferabhängigkeit hat keinen Platz in einer krisenfesten Energiezukunft.
- Anfällig in der Klimakrise: Hitzewellen und Niedrigwasser zwingen AKW immer wieder zur Drosselung – zuletzt etwa in Frankreich, wo hohe Flusstemperaturen die Produktion einschränkten. Ein System, das bei Hitze weniger liefert, hilft uns nicht durch die Klimakrise.
- Schrumpfende Bedeutung weltweit: Laut World Nuclear Industry Status Report fiel der Atomstromanteil an der weltweiten Stromerzeugung 2024 auf 9,1 % und liegt damit weit unter dem historischen Höchststand (17,5 % im Jahr 1996). Erneuerbare Energien wachsen deutlich schneller.
Kaineder fordert von der Bundesregierung:
- Rechtsmittel einlegen – und öffentlich machen, dass Österreich das Urteil nicht hinnimmt. Die Frist ist kurz, das Signal zählt.
- Allianzen in der EU stärken – gemeinsam gegen die Verwässerung nachhaltiger Finanzregeln auftreten.
- Investitionen umlenken – jeder Euro gehört in Erneuerbare, Netze, Speicher und Effizienz statt in veraltete Risikotechnologien.
- Abhängigkeiten reduzieren – zügiger Ausstieg aus russischen Kernbrennstoff‑Lieferketten, wie von der EU mehrfach und auch aktuell diskutiert.
Stefan Kaineder abschließend: „Atomkraft und Klimaschutz gehen nicht zusammen. Mit dem konsequenten Ausbau von Sonne, Wind und Wasser setzen wir auf echte Erneuerbare statt auf gefährliche Risikotechnologien. Die Taxonomie soll Geld dorthin lenken, wo es Klimaschutz wirklich voranbringt. Wer Atomkraft grün färbt, bremst die Energiewende. Wir stehen an der Seite der 70 Organisationen und erwarten von Minister Totschnig ein klares Bekenntnis zum Rechtsmittel – im Interesse von Klima, Sicherheit und Unabhängigkeit.“