Zu wenig Schnee, zu viel Hitze: Rekordschwund am Hallstätter Gletscher

Pressekonferenz mit Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder, Dir. Georg Bliem, Mag. Klaus Reingruber, Mag. Egon Höll, und Ing. Johannes Uttinger
Zu wenig Schnee, zu viel Hitze: Rekordschwund am Hallstätter Gletscher droht – Oberösterreichs „ewiges“ Eis schmilzt dahin – Die Dachsteingletscher stehen vor größtem Massenverlust seit Messbeginn – Neue Herausforderungen für Forschung und PlanaiBahnen
Dachsteingletscher als Indikator der Klimaveränderung
Seit mittlerweile 19 Jahren läuft das von Land Oberösterreich und Energie AG kofinanzierte Forschungsprojekt „Massenbilanz am oberösterreichischen Hallstätter Gletscher“ mit dem Ziel, den Rückgang des größten Gletschers des Dachsteinmassivs und der nördlichen Kalkalpen wissenschaftlich zu beobachten. Seit Beginn des Messprogramms im Jahr 2006 hat der Hallstätter Gletscher von 152 Mio. Kubikmetern mit mehr als 56 Mio. Kubikmetern ein Drittel seiner Masse verloren und auch mittelweile rund 1 km2 an Fläche des ewigen Eises.
Global gesehen hat in den vergangenen 35 Jahren der Massenverlust der Gletscher deutlich zugenommen: Derzeit verlieren die Gletscher weltweit 335 Mrd. Tonnen Eis pro Jahr. Diese Schmelze trägt jährlich zu einem Anstieg des Meeresspiegels um knapp einen Millimeter bei. Am Dachstein zeigen die Messergebnisse: Die Gletscherschmelze setzt sich unvermindert fort, da die Temperaturkurve weiter steil nach oben zeigt. Die Vergletscherung im Alpenraum und im Speziellen auch am Dachstein kann dem vorherrschenden Klima nicht mehr standhalten.
„Wir sehen am Hallstätter Gletscher, wie atemberaubend schnell die Klimakrise voranschreitet. Klimarekord reiht sich an Klimarekord, die Ökosysteme geraten massiv unter Druck. Auch in Europa sind die Folgen längst spürbar: neue Hitzerekorde, ausgedehnte Dürreperioden und gleichzeitig immer heftigere Unwetter- und Starkregenereignisse prägen unseren Alltag. Klar ist: Selbst in den optimistischsten Szenarien können wir den Gletscher nicht mehr in seiner heutigen Form retten. Wir müssen gleichzeitig den Klimawandel bremsen und uns anpassen“, betont Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder.
Katastrophaler Zustand am Dachstein
Der Hallstätter Gletscher, größter Gletscher des Dachsteinmassivs und der nördlichen Kalkalpen, zeigt im Sommer 2025 einen Zustand, den Expert:innen als katastrophal beschreiben. Beim Lokalaugenschein mit Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder wurde deutlich: Das „ewige Eis“ steht vor dem größten Massenverlust seit Beginn des oberösterreichischen Gletschermessprogramms im Jahr 2006.
„Derzeit ist der Gletscher quasi komplett blank, nur in den obersten Bereichen gibt es noch Rest-Altschnee. Vom Schnee des vergangenen Winters ist nichts mehr übrig – die gesamte Fläche ist der Ablation ausgesetzt. Ursache sind der schneearme und warme Winter und Frühling sowie die Rekordhitze im Juni. Ohne frühzeitige Schneefälle im September droht die negativste Bilanz seit Messbeginn. Das Eis zerbricht selbst in den oberen Bereichen, weiter unten bedecken Schutt und Felsen die Oberfläche. Der Zustand ist katastrophal“, erklärt Forschungsleiter Klaus Reingruber.
Am Dachstein steht eine Zäsur bevor: Der Hallstätter und der Schladminger Gletscher, die seit rund 3500 Jahren verbunden sind, werden sich in den nächsten Wochen endgültig trennen. Nur ein etwa sieben Meter schmales Schneeband hält sie noch zusammen, doch durch geringen Schneefall und starke Schmelze ist es bald verschwunden – ein Jahr zuvor war diese Verbindung noch 30 Meter breit. Mit dem Auseinanderbrechen endet auch der präparierte Gletscherweg zur Seethalerhütte, da Pistengeräte die künftig freiliegenden Felsen nicht überwinden können. Für viele Touristinnen und Touristen bedeutet das: Ohne Steigeisen ist der Weg nicht mehr machbar.
Am Dachstein sind Teile einer alten Liftstütze aus den 1960er-Jahren vom schwindenden Hallstätter Gletscher freigegeben worden – Relikte aus einer Zeit, in der hier noch bis in den Sommer Ski gefahren wurde. Jahrzehntelang lagen die Überreste unter Eis verborgen, nun wurden sie durch die Gletscherbewegung sichtbar und bereits abtransportiert. Heute ist Skifahren am Dachstein-Gletscher aufgrund des massiven Rückgangs nicht mehr möglich, die letzten Lifte wurden vor zwei Jahren abgebaut.
„Die dramatischen Entwicklungen am Hallstätter Gletscher führen uns unmissverständlich vor Augen, wie weit die Klimakrise bereits fortgeschritten ist. Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten hat der größte Gletscher Oberösterreichs ein Drittel seiner Masse verloren – und steht nun vor dem größten Schwund seit Beginn der Messungen. Die Trennung von Hallstätter und Schladminger Gletscher, das Ende des präparierten Weges zur Seethalerhütte und sogar das Auftauchen alter Liftanlagen sind sichtbare Mahnmale für das, was wir verlieren. Klar ist: Wir können das Eis in seiner heutigen Form nicht retten. Aber wir können und müssen alles daransetzen, die Klimakrise einzubremsen und uns an ihre Folgen anzupassen“, resümiert Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder.
Forschung und Digitalisierung am Gletscher
Die Glaziologen waren seit Projektbeginn rund 200 Mal am Dachstein unterwegs. Pro Jahr sind 8 bis 10 Messtage am Eis nötig, ergänzt durch Wartung und Instandhaltung der Messeinrichtungen (Wetterstationen und Kameras). Zunehmend setzen die Forscher auf digitale Fernerkundung – mit Kameras, Satellitenbildern und Luftaufnahmen.
„Lange Messreihen wie jene am Hallstätter Gletscher sind für die internationale Klimaforschung unverzichtbar. Sie zeigen nicht nur, wie stark sich das Klima ändert, sondern auch, dass diese Erwärmung einzigartig in 1,5 Millionen Jahren Erdgeschichte ist. Auf einem ungebremsten Pfad wären die Konsequenzen unvorhersehbar – die bessere Alternative ist klar: den Klimawandel begrenzen“, so Klaus Reingruber.
Planai-Bahnen: Besucherinnen und Besucher erleben Klimawandel hautnah
An der modernisierten Bergstation auf 2.700 Metern wurden vom Land OÖ gemeinsam mit den Planai-Bahnen interaktive Installationen zum Gletscherschwund umgesetzt:
- APP[tauen] – Interaktiver Touchscreen
Ein großflächiger, interaktiver Touchscreen zeigt den Rückgang des Hallstätter Gletschers. Mit Hilfe der Messdaten wird am Dachstein der Rückgang des Hallstätter Gletschers und die klimatischen Veränderungen der letzten Jahre eindrucksvoll sichtbar gemacht. Was sonst oft als abstrakte Theorie erscheint, wird hier für Besucher:innen greifbar: Der Klimawandel zeigt sich nicht in fernen Regionen, sondern hat spürbare Auswirkungen unmittelbar vor unserer Haustüre. Die Gäste finden eine zentrale Attraktion vor, die Forschung, Technik und Bewusstseinsbildung miteinander verbindet. Die anschauliche Aufbereitung der Daten macht den dramatischen Rückgang des Eises verständlich.
- Digitales Fernrohr
Ein besonderes Highlight erwartet die Gäste im Panoramarestaurant der DachsteinSeilbahn: Ein digitales Fernrohr erweitert den realen Blick auf die alpine Landschaft um eine virtuelle Informationsschicht. Drehen die Besucher:innen das Fernrohr in Richtung Pressegespräch Oö. Gletschermessprogramm der Bergwelt, erscheinen auf dem integrierten Display überlagerte Daten, Grafiken und historische Aufnahmen. So wird etwa der Rückgang am Rosmarie-Stollen oder die Veränderung der markanten Dachstein-Südwand im Zeitverlauf eindrucksvoll sichtbar – ein „Zeitreise-Effekt“, der Erlebnis und Information verbindet. Die Kombination aus Panorama und Daten macht die Klimakrise dort erlebbar, wo sie am deutlichsten spürbar ist: direkt am Gletscher. Das Klimaressort des Landes Oberösterreich hat das innovative Vermittlungsformat gemeinsam mit Ars Electronica Solutions als Verbindung von Kunst, Technik und Wissenschaft entwickelt – mit dem Ziel, Besucher:innen auf intuitive und emotionale Weise für die Folgen der Klimaveränderung zu sensibilisieren.
„Mit jährlich über 200.000 Besucherinnen und Besuchern ist der Dachstein ein außergewöhnliches Ausflugsziel, das einzigartige Naturerlebnisse bietet. Mit der Modernisierung der Bergstation ‚Energiekristall‘ und innovativen Installationen wie APPtauen und dem Digitalen Fernrohr ermöglichen wir unseren Gästen nicht nur spektakuläre Ausblicke, sondern auch wertvolle Einblicke in die Veränderungen unserer Umwelt. Damit wollen wir das Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels schärfen und aktiv zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen“, betont Planai-Bahnen-Geschäftsführer Dir. Georg Bliem