Nein zu Atomkraft-Versuchslaboren an unserer Grenze

Pressekonferenz mit Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder und DI Dalibor Strasky (Anti-Atom Beauftragter des Landes OÖ)

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Nein zu Atomkraft-Versuchslaboren an unserer Grenze – Small Modular Reactors sind Gefahr für OÖ

Oberösterreich steht seit Jahrzehnten für eine klare Anti-Atom-Politik. Die atomare Bedrohung durch bestehende und geplante Reaktoren in unmittelbarer Nähe zur Landesgrenze bleibt real und hochriskant. Nun droht durch das geplante Pilotprojekt eines sogenannten Small Modular Reactor (SMR) in unmittelbarer Nähe zum Standort des AKW Temelín ein neues – mit unberechenbaren Konsequenzen.

„Tschechien agiert, als würde der Beschuss der ukrainischen AKW nicht Realität sein. Ausgerechnet jetzt auf neue Atomkraft zu setzen, ist verantwortungslos und gefährlich“, warnt Umwelt und Klima-Landesrat Stefan Kaineder und fordert deshalb eine energiepolitische Kurskorrektur in Tschechien: Weg von Atomkraft – hin zu einem nachhaltigen, erneuerbaren Energiesystem.

Entwicklungen in Tschechien: SMR-Projekt in Temelín

Im Dezember 2024 hat der tschechische Energiekonzern ČEZ das UVP-Verfahren (EIA) für den Bau eines Small Modular Reactor (SMR) mit einer geplanten Leistung von 498 Megawatt elektrisch (MWe) am bestehenden Atomstandort Temelín eingeleitet.

Die betrachtete SMR-Anlage sollte über eine elektrische Leistung von bis zu 500 MW verfügen (Rolls-Royce SMR hat Leistung von 470 MW). Das Kraftwerk ist vergleichbar mit einem Block in Dukovany nach der Leistungserhöhung.

Da zwei weitere große KKW-Blöcke am Standort Temelín geplant werden (der Standort wurde vom Anfang an für vier große Blöcke vorgesehen), stellt ein neues, zusätzliches Kraftwerk eine Änderung dar, wegen der alle Parameter neu geprüft bzw. festgesetzt werden müssen (Wasserversorgung, Einhaltung der Grenzwerte für Abwässer, Abluft, Wärmeemissionen etc.).

Der zukünftige SMR in Temelin soll neben dem ursprünglichen Kernkraftwerk Temelin errichtet werden, überschneidet sich jedoch nicht mit den bestehenden Anlagen. Der SMR in Temelin wird einen Teil der grundlegenden Infrastruktur mit den bestehenden Temelin-Anlagen teilen, vor allem die Wasserversorgungsanschlüsse. Ansonsten wird das SMR-Projekt alle notwendigen Gebäude und technologischen Systeme umfassen, die zur Stromerzeugung und -übertragung außerhalb des Standorts erforderlich sind.

UVP-Scoping Verfahren zum SMR am Standort Temelín

Die Tschechische Republik hat Österreich über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zum Projekt “Neubau SMR Temelin” gemäß dem Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Espoo Konvention) und Art. 7 UVP-RL notifiziert. Österreich nimmt an diesem Verfahren teil.

Im Rahmen dieses Teils des Verfahrens (Scoping) wird erörtert, welche Inhalte der Projektwerber im Umweltbericht (eigentliches UVP-Verfahren) darzustellen hat und in welchem Umfang sie behandelt werden müssen.

Der Projektträger CEZ a.s. hat Aktivitäten zur Projektvorbereitung eingeleitet, die in erster Linie mit der Umweltverträglichkeitsprüfung zusammenhängen, wie es der Rechtsrahmen in der Tschechischen Republik vorschreibt. In diesem Zusammenhang wurde die „Notification of a new nuclear source of SMR at Temelin“ vorbereitet, um die Bewertungen darzulegen, die gemäß Abschnitt 7 des tschechischen Umweltgesetzes erforderlich sind. Die Meldung soll keine detaillierten Informationen oder Bewertungen zu den erwarteten Umweltauswirkungen des Projekts enthalten. Diese werden in der „vollständigen“ Umweltverträglichkeitsprüfung ausführlicher behandelt.

Die Fachstellungnahme (UBA, Bund) kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:

  • Da sich das detaillierte Design aller vier SMR-Modelle, die für den Standort Temelin in Betracht gezogen werden, noch in Entwicklung befindet, sind der Sicherheitsanalysebericht und die probabilistische Sicherheitsanalyse noch nicht abgeschlossen. Dies würde bei der Durchführung einer UVP zu einer Situation führen, in der die Bewertungen weder realistisch sind, noch die Auswirkungen auf die Umwelt und die Bevölkerung richtig bestimmt werden können. Es wird daher empfohlen, die Entwicklung einer umfassenden UVP, insbesondere in Bezug auf die Umweltauswirkungen radiologischer Freisetzungen, zu verschieben, bis das detaillierte Design des SMRs abgeschlossen ist.
  • Die Alternativen zum Bau des SMRs, die in der UVP berücksichtigt werden müssen, werden im Dokument nur auf einer groben Ebene beschrieben. Eine Analyse einer „Zero Option“ (d. h., dass der SMR überhaupt nicht gebaut wird) könnte eine sinnvolle Ergänzung sein.
  • Derzeit sind am Standort Temelin neben zwei großen Einheiten auch das Lager für abgebrannte Brennelemente und ein Lager für frische Brennelemente in Betrieb. Es wird empfohlen, dass der UVP-Bericht mögliche Wechselwirkungen zwischen mehreren Einheiten behandelt, einschließlich der Bewertung externer Auswirkungen, die alle Einheiten am Standort betreffen. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, die Bedingungen für andere Einheiten zu berücksichtigen, falls eine der Einheiten von einem Unfall mit Freisetzung radioaktiver Substanzen betroffen ist.
  • Im Notification Document wurde klar darauf hingewiesen, dass im Rahmen der UVP-Analysen von Szenarien umfassender Auslegungsstörfälle und Szenarien mit Auslegungserweiterungen vorgenommen werden, um die Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Umwelt in den Nachbarländern zu ermitteln. Während angedeutet wird, dass selbst im Falle einer Beschädigung des Reaktorkerns in einem SMR die Freisetzung durch „Mikrolecks“ erfolgen würde, wird vorgeschlagen, dass eine DEC-B-Sequenz mit einem frühen Containmentversagen bewertet wird. In diesem Zusammenhang wird empfohlen, dass im UVP-Bericht die ausgewählten Sequenzen detailliert beschrieben werden.
  • Wie bei jedem Kernkraftwerk hat die Erzeugung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente besondere Auswirkungen auf die Umwelt. Es wird daher empfohlen, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung die Erzeugung, Verarbeitung/Behandlung, Lagerung vor Ort und Entsorgung der radioaktiven Abfälle und abgebrannten Brennelemente aus der Kernkraftwerksanlage in Temelin erörtert.

Schlussfolgerungen aus Sicht des oö. Anti-Atom-Beauftragten

„Es ist ersichtlich, dass die Eröffnung des UVP-Verfahrens für die Anlage mit kleinen Reaktormodulen am Standort Temelín vorzeitig war. Aus diesem Grund konnte kein konkretes Projekt behandelt werden, obwohl der Antragsteller während der Zusammenstellung der Bekanntmachung schon entschieden hat, welches Projekt er bevorzugt. Dies wurde jedoch vom Verfasser der Bekanntmachung nicht berücksichtigt und der Antragsteller hat auch kein Problem damit gehabt, eine Bekanntmachung der zuständigen Behörde vorzulegen, die nicht mehr dem Stand der Dinge entspricht. Die Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) soll sich daher mit dem konkreten Projekt des Vorhabens (Rolls-Royce SMR) beschäftigen. Natürlich erst nach der erfolgreichen GDA-Prüfung in Großbritannien“, erklärt Dalibor Strasky, Anti-Atom-Beauftragter des Landes Oberösterreich.

ČEZ-Vorstand Daniel Beneš sieht das Projekt als „entscheidenden Technologieschritt in Richtung tschechischer Energiesouveränität“. In öffentlichen Statements bezeichnete Beneš die SMR-Technologie als „Chance, Versorgungssicherheit unabhängig von ausländischen Importen aufzubauen“.

Risiken für Oberösterreich

  • Temelín liegt nur rund 50 Kilometer von der oberösterreichischen Grenze entfernt. Ein schwerer Störfall – ob durch technisches Versagen, Naturkatastrophe oder menschliches Versagen – hätte unmittelbare Auswirkungen auf Gesundheit, Landwirtschaft, Trinkwasserversorgung und Umwelt in Oberösterreich.
  • SMRs sind keine harmlosen Mini-Reaktoren. Trotz kompakter Bauweise handelt es sich um Hochrisikoanlagen mit denselben Grundproblemen wie große Reaktoren.
  • Keine langfristige Lösung für Atommüll
  • Sicherheitsrisiken durch Komplexität der modularen Technik
  • Erhöhte Angriffs- und Sabotagegefahr durch Dezentralisierung
  • Unsicheres regulatorisches Umfeld
  • In Zeiten geopolitischer Spannungen – wie dem Krieg in der Ukraine – nimmt die Verwundbarkeit von Nuklearanlagen massiv zu.
  •  „Ein Ausstieg aus der Atomkraft ist unabdingbar – gerade angesichts globaler Unsicherheiten und der unbeherrschbaren Risiken“, so Stefan Kaineder.

Was ist ein SMR?

Ein SMR ist ein fabrikgefertigter Kernreaktor, der modular zusammengesetzt werden kann. Er soll eine elektrische Leistung von bis zu 300-500 MWe erbringen – also etwa ein Drittel eines typischen Großreaktors. Vorteile sehen Befürworter in der flexiblen Einsetzbarkeit, niedrigeren Baukosten und kürzeren Genehmigungsverfahren.

Kritikpunkte:

  • Technologie ist bisher nicht ausgereift – es gibt weltweit bisher nur in Russland auf Schiffen betriebene Versuchsreaktoren, die abgelegene Gebiete mit Strom versorgen
  • Kostenvorteile umstritten: Mehrere Projekte (z. B. NuScale in den USA) wurden wegen massiver Kostensteigerungen gestoppt.
  • Sicherheitsbedenken: Die Kompaktheit geht mit neuen technischen Risiken einher.

Im Betrieb befindlich sind

  • 2 Reaktoren des AKW (ETE1,2) 
  • Lager für abgebrannten Nuklearbrennstoff (SVJP)
  • Lager für frischen Nuklearbrennstoff

Weitere geplante Projekte

  • 2 zusätzliche große Reaktorblöcke für AKW Temelín (ETE3,4)
  • Erweiterung der Lagerkapazität des bestehenden Lagers für abgebrannten Nuklearbrennstoff Als Begründung dieses Neubaus wird u.a. das Staatliche Energiekonzept angeführt, doch dieses ist noch nicht fertiggestellt und keiner SUP unterzogen worden.

Was wir fordern

Keine Atomversuchslabore an unserer Grenze

Der geplante SMR in Temelín ist kein sicherer Fortschritt, sondern ein riskantes Experiment. Tschechien muss dieses Projekt stoppen.

Kein neuer Atomkurs

Die tschechische Regierung muss ihren Pro-Atomkurs überdenken und klare Grenzen sowie Ablaufdaten für die Nutzung nuklearer Technologien setzen.

Vorrang für Erneuerbare Energien

Die Energiezukunft liegt in Wind, Sonne, Wasser, Speichertechnologien – nicht im Rückgriff auf eine Hochrisikotechnologie der Vergangenheit.

„Jeder Euro, der in Atomkraft investiert wird, ist ein Euro weniger für sichere, nachhaltige Energielösungen. Die Energiewende kann nur mit einem raschen Ausbau der Erneuerbaren gelingen“, so Landesrat Kaineder.

„Momentan prüft das Land OÖ die rechtlichen Aspekte des Vorhabens unserer tschechischen Nachbarn. Hier geht es vor allem und die Sicherheitsrisiken so einer Pilotanlage, die wie im Fall des AKW Temelín neben bestehenden Reaktoren errichtet werden soll. Weiters wird im Herbst die Nuclear Energy Conference in Linz stattfinden, bei denen wir uns detailliert mit den tschechischen SMR-Plänen auseinandersetzen und die Bevölkerung informieren“, so Kaineder abschließend.